von Ulrike Eifler
Dass der deutsche Wahlkampf jetzt so wenig inspirierend ist, hat auch damit zu tun, dass es in der Sache um relativ wenig geht.“ Dieser Satz stammt aus der Neuen Züricher Zeitung. Er ist so bemerkenswert wie falsch. Denn noch nie waren die sozialen, ökologischen, friedenspolitischen und demokratischen Kipppunkte bedrohlicher und ein Kurswechsel darum notwendiger.
Wenn eine Pflegekraft 156 Jahre arbeiten muss, um das Jahresgehalt eines DAX-Vorstandes zu bekommen und sich die DAX-Vorstände Milliarden an Dividenden auszahlen, während die Pflegekräfte tagtäglich gegen den Zusammenbruch des Gesundheitssystems ankämpfen, ist im Bereich der Daseinsvorsorge ein gesellschaftlicher Kipppunkt erreicht. Der ÖPNV ist unzuverlässig, die Gesundheitsversorgung unzureichend, Bildung noch immer vom Geldbeutel abhängig und staatliche Behörden überlastet. Während mit der Pandemie soziale Fragen auf eine Beantwortung drängen, dreht die Bundesregierung Däumchen und lässt alles wie es ist.
Gleichzeitig zeigen brennende Wälder und Starkregenfälle: Die Gefahr des Klimakollapses ist real. Wir sind die erste Generation, die den Klimawandel zu spüren bekommt und die letzte, die etwas dagegen tun kann. Jede Tonne CO2 verhindert das Erreichen des 1,5-Gradziels. Doch allein VW emittiert so viel CO2 wie Australien. Es braucht dringend eine Mobilitätswende – weg vom Individualverkehr, hin zu einem attraktiven ÖPNV und einer Politik der kurzen Wege. Der Umstieg aufs E-Auto wird den Klimakollaps nicht aufhalten.
Hinzu kommt: Die Bilder von Menschen, die sich in Afghanistan in ihrer Verzweiflung an Flugzeuge hängen, zeigen, der Krieg gegen den Terror ist gescheitert. Er hat unzählige Opfer gefordert. Zwei Jahrzehnte war die NATO in Afghanistan und nichts hat sich geändert. Im Gegenteil: Die NATO zieht eine Spur der Verwüstung hinter sich her. Die Antworten der Bundesregierung sind erbärmlich: Bundesaußenminister Maas wälzt sein eigenes Versagen auf den Irrtum der internationalen Gemeinschaft ab und dem Kanzlerkandidaten Laschet fällt nichts Besseres ein, als die Bilder von 2015 vermeiden zu wollen.
Und auch die demokratische Stabilität hat einen Kipppunkt: Die Pandemie hat Grundrechte ausgehebelt und Diskurse verschoben. Die Debatte über die Impfpflicht und die Koppelung von gesellschaftlicher Teilhabe an einen Impfstatus ist die schleichende Überführung der Grundrechteeinschränkung in einen langfristigen Zustand. Ein solcher Diskurs wäre vor Beginn der Pandemie undenkbar gewesen. Die Debatte über die Unterfinanzierung der öffentlichen Daseinsvorsorge oder das bundesweite Kliniksterben hingegen bleibt aus.
All das zeigt: Die Gesellschaft verändert sich auf verschiedenen Ebenen, und die Pandemie hat diesen Prozess beschleunigt. So zu tun, als ginge es um nichts, ist im Interesse derjenigen, die an diesen Entwicklungen nichts ändern wollen. Am 26. September stimmen wir alle darüber ab, ob die sozialen und ökologischen Kosten ungezügelter Profitmaximierung auch künftig auf die Gesellschaft abgewälzt werden dürfen. Im Kampf um eine andere Gesellschaft kann auf eine Partei wie DIE LINKE, die Unternehmensspenden ablehnt und die Perspektive der abhängig Beschäftigten stärken möchte, nicht verzichtet werden. Deshalb am 26. September DIE LINKE wählen!
Ulrike Eifler ist Bundessprecherin der AG Betrieb & Gewerkschaft und kandidiert für den Bundestag in NRW auf Listenplatz 7
Dieser Artikel ist aus unserer Zeitung: Es geht um alles (September 2021)
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