Lohndumping, prekäre Arbeit und Arbeitsverdichtung sind an deutschen Hochschulen Normalzustand: Auslagerungen von Reinigung und Hausmeistertätigkeiten; Lehrbeauftragte, die ständige Lehre ohne soziale Absicherung für zu niedrige Honorare machen; WissenschaftlerInnen, die ewig mit befristeten Verträgen arbeiten; zunehmend sachgrundlose Befristung auch im wissenschaftsunterstützenden Bereich. Prekäre Beschäftigung breitet sich aus, und am Ende herrscht eine „Flaschenhalsproblematik“: Existenzielle Konkurrenz um die wenigen professoralen Dauerstellen.
Organisierung in Gewerkschaften und Netzwerken ist dringend notwendig und kollektive Anstrengungen, die Arbeitsbedingungen an Hochschulen insgesamt zu verbessern – und es ist möglich. Das zeigt nicht nur der erfolgreiche Abschluss des Tarifvertrages für studentische Hilfskräfte, sondern auch die aktuelle gerichtliche Klarstellung, dass studentische Beschäftigte in nichtwissenschaftlichen Bereichen nach dem Tarifvertrag der Länder (TV-L) bezahlt werden müssen. Der Hintergrund ist, dass die Hochschulen in den letzten Jahrzehnten in immer größerem Maße studentische Hilfskräfte in Verwaltung, Bibliotheken und der IT eingesetzt haben. Damit einher ging ein schrittweiser Abbau von regulären und nach Länder-Tarif bezahlten Stellen. Das hatte für die Hochschulen gleich zwei Vorteile: Die studentischen Hilfskräfte sind billiger, weil sie nach TV Stud (Berlin) bzw. zu je nach Universität unterschiedlichen Stundensätzen und nicht nach TV-L bezahlt werden. Sie sind Sachkosten und flexibler einsetzbar, weil sie unter das Sonderbefristungsrecht der Hochschulen fallen.
In Berlin war dieses Lohndumping möglich, weil die Berliner Hochschulen den § 121 des Berliner Hochschulgesetzes (BerlHG) so auslegten, dass die studentischen Beschäftigten in allen Bereichen der Hochschule die wissenschaftlichen Dienstkräfte in Forschung und Lehre unterstützen. Dieser Auslegung haben Gerichte jetzt erneut einen Riegel vorgeschoben. Nun steht für die Hochschulen ein Systemwechsel an, die studentischen Hilfskräfte in nichtwissenschaftlichen Bereichen in den TV-L zu überführen. Doch die Hochschulen wollen weiter machen wie bisher und lieber den §121 BerlHG ausweiten. Nur in wenigen Bereichen wird tatsächlich TV-L Beschäftigung geschaffen. Im Moment wird der Konflikt von den Hochschulen nahezu komplett auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen, für die der plötzliche Verlust ihres Arbeitsplatzes Studium und Lebensunterhalt gefährdet. Viele Stellen sind mit einem Einstellungsstopp belegt, was für die Hauptbeschäftigten Arbeitsverdichtung oder Dienstleistungsabbau für Personal und Studierende bedeutet. Die Humboldt-Universität beginnt über eine nicht tarifgebundene Tochter studentische Beschäftigte zu niedrigeren Löhnen zu leihen.
Jetzt wird sich zeigen, ob der Wissenschaftssenat mit Senator Michael Müller den Koalitionsvertrag ernst nimmt. Dazu gehört, den Forderungen nach Gesetzesänderung sowie Drohungen, Tätigkeiten auszugliedern, eine klare Absage zu erteilen. Dazu gehört auch, einen tarifkonformen Einsatz in Verwaltung, Bibliotheken und zentralen Uni-Einrichtungen wie der IT zu fördern und die Entwicklung von langfristigen Lösungen einzufordern. GEW und ver.di, Personalräte und die LandesAstenKonferenz erwarten zu Recht, dass die in nichtwissenschaftlichen Bereichen tätigen studentischen Beschäftigten mittelfristig weiter beschäftigt werden – und zwar nach TV-L.
von Jana Seppelt, Bundessprecherin AG Betrieb & Gewerkschaft