Von Ulrike Eifler und Jan Richter
Im Frühjahr hat sich der Gewerkschaftsrat der Partei DIE LINKE im House of Labour erstmals in Präsenz getroffen. Es ging um Fragen gewerkschaftlicher Handlungsfähigkeit in der Transformation und ob über Arbeitskammern, Wirtschafts- oder Transformationsräte die Repräsentationslücke abhängig Beschäftigter im politischen Raum geschlossen werden könne. Aus unserer BAG sind Ulrike Eifler und Jan Richter im Gewerkschaftsrat. Die ernsthafte Beratung in guter Atmosphäre hatte das Ziel, Impulse zur sozial-ökologischen Transformation mit Blick auf die Welt der Arbeit in die Partei zu geben. Das sei gelungen, freuen sich die Beiden. Damit gewinnt der Gewerkschaftsrat allmählich an Kontur.
Die erste Sitzung des Gewerkschaftsrates der Partei DIE LINKE im Jahr 2023 führte uns Ende März nach Frankfurt am Main ins House of Labour. Dort sind sowohl die Akademie der Arbeit als auch die University of Labour ansässig. Geschäftsführer Martin Allespach begrüßte uns herzlich und führte uns in die Geschichte des Hauses ein.
Im Anschluss widmeten wir uns der Frage von gewerkschaftlicher Handlungsfähigkeit in der Transformation. Zu Gast war Professor Thorsten Schulten vom WSI der Hans-Böckler-Stiftung. Er verwies auf das Konzept der Arbeitskammern wie sie im Saarland und in Bremen, aber auch in Österreich und Luxemburg existieren. Die abnehmende Tarifbindung und die rückläufige Mitgliederentwicklung der letzten Jahre hätten zu einer Vertretungslücke geführt, argumentierte er. Insbesondere die Unordnung auf dem Arbeitsmarkt führe dazu, dass vor allem prekär Beschäftigte im politischen Raum kaum noch vertreten werden. Diese Repräsentationslücke könne durch eine Arbeitskammer geschlossen werden. Gerade in Zeiten epochaler Transformationsprozesse bräuchten die Beschäftigten eine Lobbyorganisation, die spiegelbildlich zu den Industrie- und Handwerkskammern die Interessen der Welt der Arbeit stärkt.
Klaus Dörre und Bernd Riexinger dagegen konzentrierten sich auf den Aufbau einer Rätestruktur mit Fokus auf die Beteiligung der Beschäftigten. Dörre legte seinen Schwerpunkt auf Wirtschaftsräte, die auf der Idee neuer Allianzen zwischen Akteuren aus der Umweltbewegung, den Gewerkschaften und der politischen Linken basieren. Während Riexinger vor dem Hintergrund industriepolitischer Umbrüche im Neckarraum sein Konzept alternativer Transformationsräte vorstellte. Diese sollten eigene Konzepte zur Transformation entwickeln. Dem im Juli vergangenen Jahres gegründete Transformationsrat in Stuttgart gehören derzeit 20 Mitglieder an.
Alles in allem war es eine ernsthafte Beratung in guter Atmosphäre, die das Ziel hatte, Impulse zur sozial-ökologischen Transformation mit Blick auf die Welt der Arbeit in die Partei zu geben. Damit gewinnt der Gewerkschaftsrat allmählich an Kontur. Im Frühjahr 2021 vom Parteivorstand einberufen und Ende 2021 personell unterlegt, dient er seit seiner Konstituierung zu Beginn des Jahres 2022 vor allem als gewerkschaftliches Beratungsgremium der Partei, um den Blick auf die Welt der Arbeit zu schärfen – gerade in den aktuellen Transformationsprozessen.
Der Impuls für die Etablierung eines Gewerkschaftsrates kam aus der BAG Betrieb & Gewerkschaft (siehe verlinkten Beitrag unten „Die Perspektive der abhängig Beschäftigten stärken“): Die Gewerkschaftsarbeit der Partei sollte nicht allein die Aufgabe einer Bundesarbeitsgemeinschaft bleiben, sondern prominent beim Parteivorstand angesiedelt sein. Ein Fokus auf abhängig Beschäftigte und ihre kollektiven Schutzorganisationen macht den Klassenkompass einer sozialistischen Partei aus. Und genauso wie eine falsche Klassenanalyse zu einer Verschiebung der parteipolitischen Ausrichtung führt, tun es fehlende Strukturen ebenfalls. Deshalb hat die BAG Betrieb & Gewerkschaft dafür geworben, der Gewerkschaftsorientierung der Partei eigene Strukturen zu geben. Denn zur Gewerkschaftsorientierung gibt es für eine sozialistische Partei keine Alternative.
Auf dieser Grundlage beschloss der Parteivorstand einen Dreiklang, der diese Strukturen sicherstellen sollte: Ein Gewerkschaftsrat als gewerkschaftliches Beratungsgremium auf der Bundesebene. Spiegelbildlich dazu sollte der Parteivorstand unter den Landesvorsitzenden dafür werben, dass auch die Landesverbände Gewerkschaftsräte einberufen. Bislang existieren diese lediglich in Sachsen und in Nordrhein-Westfalen. Hier ist also noch einiges zu tun.
Ein zweiter Schritt ist der Gewerkschaftsdialog. Der Gedanke dahinter: Parteispitze und Gewerkschaftsspitze treffen sich mindestens einmal jährlich, um über die aktuellen Entwicklungen zu beraten. Diese Treffen finden seit dem Wechsel in der Führungsspitze zu Janine Wissler regelmäßig statt. In einem dritten Schritt sollte zusätzlich jedes Jahr ein Gewerkschaftsratschlag organisiert werden – der erste ist zum Thema „Aufbruch Ost“ geplant.
Ulrike Eifler und Jan Richter sind Bundessprecher*innen der BAG Betrieb & Gewerkschaft und Mitglieder im Gewerkschaftsrat der Partei DIE LINKE
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