Von Jan Richter
Am 18.September findet im Ausschuss für Arbeit und Soziales die öffentliche Anhörung zu den Anträgen der Fraktion DIE LINKE zum Thema Mitbestimmung statt. Geladen ist ein Potpourri aus Kapital und Arbeit, das wird ein Fest. Öffentlich heißt: Wer interessiert ist, kann vorbeikommen. Wie das geht, wer da alles auftaucht und was die anderen Parteien zum Thema zu sagen haben, hat unser Bundessprecher Jan Richter in einem Beitrag zusammengefasst. Ahoi, Mitbestimmung!
Von Betriebsräten für Betriebsräte
Am 18. September beschäftigt sich der Ausschuss für Arbeit und Soziales im Deutschen Bundestag im Rahmen einer öffentlichen Anhörung mit den Vorschlägen der Fraktion DIE LINKE zur Erweiterung der betrieblichen Mitbestimmung. Dabei handelt es sich um eine Auswahl von Forderungen, die aus dem Konzept »Ahoi, Mitbestimmung« stammen, die die Teilnehmer im Rahmen einer Betriebsrätekonferenz letzten Herbst im Bundestag als besonders dringend herauskristalliesiert haben. Es handelt sich um eine Auswahl von Vorschlägen, um Betriebsratswahlen zu fördern, Betriebsräte und deren Arbeit vor Union Busting zu schützen, zwingende Mitbestimmungsrechte in Zeiten von Tranformation und Klimakollaps auszuweiten und auch, um die Rechte von einzelnen Beschäftigten zu stärken (hier geht es zu den Anträgen).
Diese wurden in der Vorwoche vom 1. Mai in den Bundestag eingebracht und in den zuständigen Fachausschuss, den Ausschuss für Arbeit und Soziales, überwiesen. Damit dieser sich bei der Behandlung und Beschlussfassung ein umfassendes Bild machen kann, hat DIE LINKE vorgeschaltet eine Anhörung mit Verbänden, Organisationen und Einzelsachverständigen beantragt. Diese Anhörung ist öffentlich. Das bedeutet: alle, die interessiert sind, können teilnehmen. Wer also live verfolgen will, welche Argumente für oder gegen mehr Mitbestimmung rausgeholt werden, ist eingeladen, vorbeikommen (Anmeldeprozedere siehe unten).
Einbringung der Vorschläge in den Bundestag (1. Lesung)
Am 27. April wurden auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE über die Weiterentwicklung der betrieblichen Mitbestimmung im Bundestag debattiert. Eingebracht wurden sie von der stellvertretende Fraktionsvorsitzenden Susanne Ferschl, die als langjährige Betriebsratsvorsitzende den Ton für die Debatte setzte. Auch bei der Einbringung galt: Von Betriebsräten für Betriebsräte. Und so berichtete Ferschl einleitend, wie bei der Stilllegung einer Produktionslinie ihres vorherigen Arbeitgebers die betroffenen Kolleginnen und Kollegen raus waren, weil der Betriebsrat beim Thema Beschäftigungssicherung zwar ein Vorschlags-, aber eben keine echtes Mitbestimmungsrecht hatte. Heute nun stünde sie hier im Deutschen Bundestag und ist stolz, dass ihrer Fraktion DIE LINKE das Thema Betriebliche Mitbestimmung so wichtig ist.
Sodann ging es direkt um die Vorschläge zur Reform der Betriebsverfassung, die den Betriebsräten deutlich mehr Spielraum gebe. Das sei gerade im Zuge des Wandels der Arbeitswelt extrem wichtig, so Ferschl, denn die Digitalisierung in allen Branchen und der Kampf gegen den Klimawandel zwingen uns zu neuen Arbeits- und Produktionsweisen. Für diese Transformation, damit sie demokratisch, nachhaltig und sozial gelingt, müssen die Rechte von Betriebsräten ausgebaut werden. Ein Aspekt war Susanne Ferschl am Ende ihrer Rede noch sehr wichtig: Betriebsräte stärken nicht nur die Demokratie im Betrieb, sondern auch die demokratische Kultur in unserer Gesellschaft insgesamt. Demokratieskepsis und das Gefühl politischer Ohnmacht hängen eng mit den gemachten Erfahrungen am Arbeitsplatz zusammen. Werden Schutzrechte von Beschäftigten abgebaut und Mitbestimmung mit Füßen getreten, sinkt das Vertrauen in die Demokratie. Merken die Kolleginnen und Kollegen im Gegenzug aber, dass ihre Stimme gehört wird, dass sie „echten Einfluss auf ihre eigenen Arbeitsbedingen haben“, dann, so Ferschl weiter, „sind sie auch widerstandsfähiger gegenüber antidemokratischen Einstellungen. Auch deshalb brauchen wir mehr Demokratie am Arbeitsplatz„.
Aus der sich dann anschließenden Debatte soll an dieser Stelle Frank Bsirske hervorgehoben werden, der gleich zu Beginn seine Rede in Richtung FDP klarstellte, dass die Arbeitswelt für die Beschäftigten kein Ort der Selbstbestimmung war und ist: „Angesichts der Verfügungsgewalt der Kapitaleigner ist sie vor allem ein Ort der Fremdbestimmung. Die Arbeitsbeziehungen sind geprägt durch ungleiche Machtverhältnisse.“ Mit der institutionellen Mitbestimmung konnten Kanäle der demokratischen Einflussnahme eröffnet und Demokratisierungsfortschritte erzielt werden, so Bsirske. Aber seit der letzten Reform der Betriebsverfassung vor 50 Jahren „…haben sich die Rahmenbedingungen für die Arbeit der Betriebsräte freilich fundamental verändert. Angetrieben von der zunehmenden Digitalisierung, der voranschreitenden globalen Arbeitsteilung und den Maßnahmen zur Dekarbonisierung werden Wertschöpfungsketten umgebaut, neue Produkte implementiert und Arbeitsprozesse restrukturiert. Arbeitsplätze, Arbeitsbedingungen und Sozialstandards stehen dabei zur Disposition. Auf diesen tiefgreifenden Strukturwandel sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebsverfassungsgesetzes nicht ausgelegt […] Es ist – und darauf verweisen die Anträge der Linken zu Recht – höchste Zeit für neue demokratiepolitische Impulse.“
Wer sich die Debatte anschauen möchte, findet diese hier in der Mediathek des Bundestages (1:13 Sunden), sowie die Reden der Abgeordneten als Einzeldatei. Wer lieber liest, kann sich die Debatte hier in dem Auszug aus dem Plenarprotokoll vom Stenographischen Dienst zur Gemüte führen:
Plenarprotokoll zur 1. Lesung der Anträge zur Mitbestimmung der Fraktion DIE LINKE
Wie läuft eine Anhörung ab?
Die Dauer der Anhörung ist mit 1,5 Stunden angesetzt. Die Fraktionen beschäftigten sich mit dem Thema und laden dazu Sachverständige ein, die sich die Anträge anschauen und bereits im Vorfeld schriftliche Stellungnahmen dazu abgegeben haben. Analaog der Größe der Frationen wird die Zeit zur Befragung aufgeteilt. Es werden Verbände, Organisationen und Einzelsachverständige eingeladen, die die jeweiligen Fraktionen vorschlagen können.
So hat die SPD den Deutschen Gewerkschaftsbund und die Hans-Böckler-Stiftung vorgeschlagen, sowie als Einzelsachverständigen Ralf Scholten, einen Fachanwalt für Arbeitsrecht. Die CDU/CSU hat die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und Bitkom e.V. vorgeschlagen. Ihr Einzelsachverständiger ist Kai-Uwe Hemmerich, Betriebsratsvorsitzender eines Chemiebetriebs und Vorsitzender der CDA in Hessen. Die Grünen haben als Einzelsachverständigen Nils Kummert, Fachanwalt für Arbeitsrecht vorgeschlagen. Auf Vorschlag der FDP nehmen Gesamtmetall (Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie) und das Institut der deutschen Wirtschaft teil. DIE LINKE hat Cosimo-Damiano Quinto vorgeschlagen, langjähriger Betriebsratsvorsitzender einer H&M-Filiale.
Wie kann man an der Anhörung teilnehmen?
Die interessierte Öffentlichkeit hat zwei Möglichkeiten, an einer Anhörung teilzunehmen. Die niedigschwelligere ist die digitale Teilnahme. Die öffentliche Anhörung wird live auf der Homepage des Bundestages ausgestrahlt und ist im Anschluss später dann auch in der Mediathek abrufbar.
Wer aber nur eine S-Bahn-Fahrt entfernt ist und live vor Ort teilnehmen möchte, kann dies ganz einfach tun. Einfach eine kurze Mail an das Sekretariat des Ausschusses für Arbeit und Soziales mit den notwenigen Daten schicken und dann kann man die Debatte von der Tribüne aus verfolgen (Formalia zur Anmeldung). Wichtig ist: Die Anmeldung wird nicht bestätigt, sie gilt mit Abschickung der Mail. Ein Rede- und Fragerecht hat man nicht. Und für die Einlasskontrolle ist ein gültiger Personalausweis oder Reisepass vorzulegen.
Zum Thema:
Betriebsräte und deren Arbeit haben für DIE LINKE einen hohen Stellenwert, sagt Jan Richter. Als einzige Partei verfügt sie mit »Ahoi, Mitbestimmung« über ein konkretes Konzept zur Reform der Betriebsverfassung, um die Arbeitswelt zu demokratisieren. Diese ist im Umbruch und für die Zukunft der Arbeit ist entscheidend, wer diesen Wandel maßgeblich mitgestaltet. Dazu brauchen Betriebsräte und Beschäftigte deutlich mehr Spielraum. Mit den Vorschlägen der Linksfraktion beschäftigt sich auch der Bundestag ab dieser Woche: Reform der betrieblichen Mitbestimmung
Was haben Politikverdrossenheit, Rechtsruck und das Gefühl politischer Ohnmacht mit der Arbeitswelt zu tun? Demokratische Enttäuschungen hängen eng mit dem Ausbleiben von Mitbestimmungserfahrungen am Arbeitsplatz zusammen, schreibt Jan Richter in unserer Mai-Ausgabe. Für demokratische Beteiligung aber braucht es Selbstachtung. Sinkt der Stellenwert der Arbeit, sinkt auch das Vertrauen in demokratische Prozesse. Wo also Schutzrechte von Beschäftigten abgebaut und Mitbestimmung mit Füßen getreten wurde, ist das Vertrauen in die Demokratie besonders niedrig: Demokratie braucht Arbeitszeit