Konzertierte Aktion: Der Staat muss eingreifen - aber im Interesse der Beschäftigten

Konzertierte Aktion: Der Staat muss eingreifen - aber im Interesse der Beschäftigten

Wenn die von Scholz ins Leben gerufene Konzertierte Aktion nur dazu gedacht ist, die Gewerkschaften dazu zu bringen, trotz #Inflation und steigender Preise keine Gehaltserhöhungen zu fordern, wäre das eine absolute Farce, schreibt Susanne Ferschl. Die Vize-Chefin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag kritisiert den Kanzler dafür scharf, dass dieser sich mit seiner Idee nach Einmalzahlungen von Beginn an auf die Seite der Arbeitgeber und ihrer Verbände stellt. Deren aktuelle Schreckensszenarien kennen wir noch aus der Zeit vor Einführung des gesetzlichen Mindestlohns.

von Susanne Ferschl

Die „Konzertierte Aktion“ zwischen Bundesregierung, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften steht bereits zu Beginn in einem schlechten Licht. Kanzler Scholz stellt keine schnellen Hilfen in Aussicht und überlässt die Beschäftigten somit auf unbestimmte Zeit ihrem Schicksal. Das Vorgehen der Bundesregierung ist problematisch. Statt ergebnisoffen in ein solches Gespräch zu gehen und mit beiden Seiten zu sprechen, stellt sich die Bundeskanzler Scholz mit seiner Idee nach Einmalzahlungen von Beginn an auf die Seite der Arbeitgeber. Gerade für einen sozialdemokratischen Kanzler eine Farce.

Und auch wenn neoliberale Marktradikale das brüsk von sich weisen: Staatliche Eingriffe sind tatsächlich nötig. Der Staat hat die Pflicht, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes vor Armut und Hunger zu schützen. Wenn Arbeitgeber nicht willens sind, Beschäftigten angemessene Löhne zu zahlen, ist es Aufgabe der Bundesregierung genau diese sicherzustellen. Im Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes stellen Erwerbstätige mit 26,8 Prozent den größten Anteil unter armen Menschen. Wer in solchen Statistiken keinen Grund zum staatlichen Handeln sieht, verschließt die Augen vor den realen Lebensverhältnissen. Ein richtiger Schritt, den diese Bundesregierung hierbei gehen muss, ist, Gewerkschaften bei ihren Forderungen nach höheren Löhnen zu unterstützen und einen Plan gegen die dramatisch sinkende Tarifbindung zu entwickeln. Die fehlende Tarifbindung und die prekären Beschäftigungsverhältnisse sind die Hauptursachen für den riesigen Niedriglohnbereich in Deutschland – da muss die Bundesregierung ran, und zwar schnell.

Natürlich bleibt der Widerstand der Arbeitgeberseite dabei nicht aus. Bereits jetzt kommen Warnungen vor einer Lohn-Preis-Spirale aus den Reihen von Arbeitgebern, CDU/CSU, FDP und der Springer Presse, um die anstehenden Lohnverhandlungen zu drücken. Dieses Argument zählt aber nicht. Historisch gesehen hat sich der oft genannte Vorwurf des Herbeiführens einer Lohn-Preis-Spirale nie verfestigt. Gerne wird sich dabei auf Beispiele einer Stagflation in den 70ern berufen, bei genauerem Hinsehen sind diese Vorwürfe jedoch abstrus, da eine solche Spirale am Ende des Jahrzehnts auch ausblieb und sich die Inflation „normalisierte“. Die angeblich drohende Lohn-Preis-Spirale ist nur ein Schreckgespenst – ähnlich wie bei der Einführung des Mindestlohnes. Wie sehr haben Arbeitgeberverbände gegen dessen Einführung gewettert? Mit aberwitzigen Voraussagungen wie Massenentlassungen und aussterbenden Branchen wie dem Gastronomie- oder Friseurgewerbe wurde damals Stimmung gemacht. Bewahrheitet hat sich davon nichts. Am Ende ging es nur um das (leider erfolgreiche) Hinauszögern einer wichtigen Regelung.  Das darf vor dem Hintergrund der aktuellen Dringlichkeit hier nicht passieren.

Von der schwachen Lohnentwicklung geht jedenfalls kein Preisdruck aus. Die aktuelle Inflation wird vor allem von wachsenden Profiten getrieben. Die großen Mineralölkonzerne machen aktuell den Gewinn ihres Lebens und diese Krisengewinne heizen die Inflation an. Es handelt sich also nicht um eine Lohn-Preis-Spirale, sondern um eine Gewinn-Preis-Spirale. Höhere Löhne sind nicht schädlich, sondern dringend notwendig, auch wirtschaftlich.

Deswegen ist es Zeit, staatlich zu handeln: Jahrelang wurde in Deutschland Vermögen von unten nach oben umverteilt. Während der größte Niedriglohnsektor Europas auf- und ausgebaut wurde, fuhren Konzerne selbst in Krisenjahren Rekordgewinne ein und schütteten Dividenden aus. Dieser Trend muss gestoppt werden. Beschäftigte müssen deutlich entlastet und Vermögende endlich deutlich belastet werden. Einmalzahlungen reichen dabei nicht und Entlastungen á la Gießkanne, bei der gleichermaßen niedrige und hohe Einkommen entlastet werden sind ein grundfalsches Mittel. Es geht um gezielte Maßnahmen für Menschen, die dringend auf diese Hilfen angewiesen sind, weitere Steuergeschenke für Reiche lehnen wir ab. Ganz im Gegenteil: Notwendig ist eine einmalige Vermögensabgabe zum Schutz der Beschäftigten und des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Genau für solche Krisenzeiten wurde sie grundgesetzlich ermöglicht. Ebenso muss eine Übergewinnsteuer für Konzerne eingeführt werden, einige Länder in der EU machen uns das bereits vor. Und auch die Sozialversicherungssysteme sind endlich sozial gerecht umzubauen, durch die Abschaffung, zumindest aber einer deutlichen Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen und einer Einbeziehung aller, auch der Besserverdienenden und Vermögenden.

Am Ende des Tages geht es darum, dass starke Schultern mehr tragen als schwache. Dafür braucht es eine Bundesregierung mit Mut, die die wirklichen Fragen unserer Zeit angeht. Umverteilung ist notwendig – nur diesmal endlich in die richtige Richtung.

Susanne Ferschl ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende von DIE LINKE im Bundestag und Leiterin des Arbeitskreises »Arbeit, Soziales und Gesundheit«, zuständig für Arbeitspolitik und Mitbestimmung. Sie ist Landessprecherin der AG Betrieb & Gewerkschaft in Bayern.

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