Partei im Gespräch - Interview mit Janis Ehling
Auf dem Parteitag in Erfurt wählen wir einen neuen Vorstand. Janis Ehling kandidiert als Bundesgeschäftsführer unserer Partei. Wir haben ihn gefragt, was ihn dazu bewogen hat und darüber hinaus auch, was sonst noch wichtig erschien. Seine Antworten findet ihr hier.
BAG Betrieb & Gewerkschaft: Lieber Janis, du kandidierst Ende Juni auf dem Parteitag in Erfurt als Bundesgeschäftsführer für die Partei DIE LINKE. Was hat dich dazu bewogen?
Janis Ehling: Die Partei ist in einer schweren Krise. Wir kommen da nur raus, wenn wir unsere strukturellen Probleme und handwerklichen Fehler endlich angehen. Als Bundesgeschäftsführer möchte ich genau das machen. Beim Studierendenverband habe ich in selber Funktion über Jahre im Team an der Verbandsentwicklung gearbeitet. Diese Erfahrung und meine Kenntnisse über die Partei möchte ich einbringen.
Die Vielstimmigkeit der Partei wird von vielen Genossinnen und Genossen derzeit als wesentlichstes Problem gesehen. Wie willst du Die Partei führen, um dieses Problem zu überwinden?
Die Vielstimmigkeit in zentralen Themen macht uns jede schlagkräftige Öffentlichkeitsarbeit kaputt. Wenn die Energie- und Lebensmittelpreise steigen, müssen wir als Partei mit einer Stimme sprechen. Das lässt sich mit viel Kommunikation und Organisation erreichen. Davon bin ich fest überzeugt und das ist unsere Aufgabe. Wir haben in den letzten Jahren zu selten tragfähige Kompromisse gesucht und gefunden.
Wir wissen alle, DIE LINKE ist derzeit in einer schwierigen Situation. Was muss deiner Ansicht nach geschehen, damit unsere Partei wieder eine Rolle in den gesellschaftlichen Debatten spielt?
Die Reallöhne sinken seit drei Jahren, die Mieten steigen. Die Fragen der sozialen Gerechtigkeit sind so stark zurück wie seit 2009 nicht mehr. Das ist für eine linke Partei wie ein Elfmeter. Es ist unsere Aufgabe, diesen zu verwandeln und die Ampel in diesen Fragen vor uns herzutreiben. Es kann doch nicht sein, dass die Inflation steigt, die Mineralölkonzerne einen Reibach machen und alle Beschäftigten den Gürtel enger schnallen sollen.
Bist du Gewerkschaftsmitglied und wenn ja, warum?
Ich war erst in der GEW und bin nun seit einigen Jahren in ver.di. Das ist für mich keine Frage. Ohne Gewerkschaften gibt es keine Gerechtigkeit und keinen Sozialstaat. Jedes LINKE-Mitglied sollte in einer Gewerkschaft sein.
Viele Kolleginnen und Kollegen berichten uns, dass DIE LINKE in ihrem Leben und auch in ihrem Betrieb keine Rolle spielt. Wie wichtig ist aus deiner Sicht die gewerkschaftliche und betriebliche Verankerung der LINKEN und wie kann diese befördert werden?
Wir haben in den letzten Jahren in der betrieblichen Realität zu wenig eine Rolle gespielt. Das müssen wir durch klare und verständliche Forderungen ändern. Übrigens können wir da als Partei von den organisierten Belegschaften lernen – ohne ein Mindestmaß an Geschlossenheit geht nichts. Das spüren die Menschen im Land auch. Wenn es mehr um Interna als wirkliche Veränderung und konkrete Verbesserungen geht, wird es nichts.
DIE LINKE hat ein gutes Programm. Aber das allein reicht natürlich nicht. Wie gelingt es uns, Forderungen nach einer stabilen Rente oder einer höheren Tarifbindung durchzusetzen?
Zunächst müssen wir die Fragestellung erstmal wieder auf die Tagesordnung setzen. Wer über die gesellschaftlichen Fragen, die verhandelt werden, mitbestimmt, dem werden auch Antworten zugetraut. Die Ampel blendet das Thema Rente völlig aus. Dabei ist klar, dass die Rentenfinanzierung in den kommenden Jahren schwierig wird, wenn da politisch nicht bald was passiert. Wir müssen das Thema auf die Tagesordnung setzen und da unermüdlich den Finger in die Wunde legen.
Weißt du, was derzeit ein Pfund Butter kostet?
Ich esse kein Brot wegen einer Unverträglichkeit. Daher schwierig, aber ich koche gerne Eintöpfe und da gehört auch immer ordentlich Butter rein. Omas Kochgeheimnis für fast jedes Essen eigentlich. Ein Stück dürfte so etwas über 2 Euro bei Aldi sein. Die Rechnung beim Einkaufen ist jedenfalls merklich höher. Auch bei den Benzinpreisen sind mir fast die Augen ausgefallen.
Momentan geht die Inflation durch die Decke. Insbesondere Menschen mit geringen Einkommen ächzen unter dieser Belastung. Was kann dagegen getan werden und was müssen vor allem wir als LINKE machen, um den Menschen zu helfen?
Wenn im Herbst die Energierechnungen eintrudeln, wird für viele noch sehr viel Monat vom Geld übrigbleiben. Die bisherigen Entlastungspakete der Bundesregierung sind da nicht mehr als ein schlechter Witz. Die Preise müssen genauso gedeckelt werden wie die Mieten. Wir brauchen eine Übergewinnsteuer für Mineralölkonzerne und eine Aussetzung der Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel. Ganz wichtig ist, dass Löhne mit den Preisen steigen. Wenn die Konzerne ihre Preise anpassen und Großvermieter die Mieten erhöhen „weil man müsse sich dem Preis ja anpassen“ – warum soll das nicht auch für die Löhne gelten. Warum sollen denn nur die Beschäftigten unter der Inflation leiden müssen? Das sehe ich überhaupt nicht ein.
Als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine wird auf der europäischen Ebene derzeit Druck gemacht für ein Öl- und Gasembargo. Wie stehst du dazu und wer wären die Leidtragenden eines solchen Embargos?
Das Energieembargo bringt gar nichts. Im Gegenteil, das Embargo hat die Energiepreise in die Schwindelhöhen getrieben. Der Rubel-Kurs steigt und die russische Außenhandelsbilanz ist so gut wie lange nicht. Herr Putin sagt: Danke! Das war ein richtiges Eigentor der Bundesregierung und die Menschen im Land müssen es ausbaden. Klar ist, Deutschland muss seine Energieunabhängigkeit erhöhen. Die Erneuerbaren müssen endlich massiv ausgebaut werden. Das wird aber vorerst nicht reichen. Das Embargo kann weg.
Und wie stehst du zu Sanktionen gegenüber Russland ganz allgemein?
Sanktionen, die sich gegen die russische Kriegsproduktion richten, finde ich genauso sinnvoll wie Sanktionen gegen die russischen Eliten. Ich will nicht, dass die russische Führung mit diesem Angriffskrieg durchkommt. Wenn wir dazu gefragt werden, müssen wir sagen, was wir wollen. Dazu gehören Sanktionen, aber auch diplomatisch Druck zu machen. Will man Russland zu Verhandlungen bewegen, muss man mit China und Indien sprechen. Russland ist ja international keineswegs isoliert und wendet sich eher diesen Ländern zu. Das ist der Hebel für eine friedliche Lösung.
In der zweiten Jahreshälfte wird DIE LINKE mit dem Mitgliederentscheid zu einem Bedingungslosen Grundeinkommen vor eine neue Zerreisßprobe gestellt. Wie stehst du ganz persönlich zum BGE und warum?
Das BGE ist eine sympathische Idee, hat aber mit der Realität wenig zu tun. Unsere Gesellschaft und unser Sozialsystem beruhen darauf, dass alle arbeiten gehen und ihren Teil zur Gesellschaft beitragen. Die Arbeit wird auch nicht weniger, wie oft behauptet. Das gilt in jeder Gesellschaft. Noch nie haben so viele Menschen im Land gearbeitet wie heute. Die Befürworter eines BGE gehen von den falschen Voraussetzungen aus. Persönlich finde ich höhere Hartz-IV- und Rentensätze, ein Ende der Sanktionen sowie eine ordentliche Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich deutlich besser.
Was war dein letztes Buch, das du gelesen hast und würdest du es weiterempfehlen?
Eine neue Biografie über den italienischen Kommunisten Enrico Berlinguer. Er führte die Kommunistische Partei in Italien bei den Wahlen zu über 30 Prozent. Eine beeindruckende Persönlichkeit und ein tolles Buch. Wenn ich gewählt werde, wird es wohl für lange Zeit das letzte Buch gewesen sein. In meiner Zeit als SDS-Bundesgeschäftsführer habe ich in drei Jahren nur zwei Bücher gelesen, dass fand ich damals schade, aber für Bücher braucht man Muße. Nach der Arbeit bin ich ehrlicherweise meist zu platt für ein gutes Buch. Da gucke ich lieber etwas Netflix.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das offizielle Bewerbugsschreiben von Janis findet ihr hier auf Webseite der Partei DIE LINKE.
Artikel wurde am 22. Dez. 2024 gedruckt. Die aktuelle Version gibt es unter https://betriebundgewerkschaft.de/partei-im-gespraech/2022/06/partei-im-gespraech-interview-mit-janis-ehling/.