„Als Hafenarbeiterin möchte ich für die Menschen Hoffnungsträgerin sein.“

Für Die Linke treten bei der Bundestagswahl eine Reihe aktiver Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter in ihren Wahlkreisen an. Wir haben mit Franziska Junker gesprochen. Sie arbeitet als Betriebsrätin im Hafen in Emden und hat einiges zum Umbruch in der Maritimen Wirtschaft zu erzählen.

„Als Hafenarbeiterin möchte ich für die Menschen Hoffnungsträgerin sein.“
Bild: Maksym Kaharlytskyi / Unsplash

BAG Betrieb & Gewerkschaft: Franzi, du bist Direktkandidatin für Die Linke in Leer und bewirbst dich auch um einen vorderen Listenplatz. Was motiviert dich, für den Bundestag zu kandidieren?

Franziska Junker: Die Fehlentscheidungen der Agenda 2010 und die falsche Sozialpolitik sind immer noch zu spüren. Viele Menschen wissen nicht, wovon sie die rasant steigenden Preise bezahlen sollen. Die Verliererinnen und Verlierer der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen stehen jetzt schon fest. Es sind die Erwerbslosen, die alten Menschen mit geringer Rente und die Millionen, die aufgrund von Minijobs im Niedriglohnsektor bereits in "guten Zeiten" nicht wissen, wie sie über die Runden kommen sollen. Es sind ebenfalls Familien mit kleinen Einkommen und Alleinerziehende. Als Hafenarbeiterin, die selbst in einer Arbeiterfamilie aufgewachsen ist, möchte ich für diese Menschen Hoffnungsträgerin sein, für eine andere politische Welt stehen, in der Ökonomie und Ökologie im Einklang miteinander sind, in der menschliche Politik gemacht wird. Wir brauchen eine starke Stimme, die sich konsequent für die Interessen der Beschäftigten einsetzt – gegen prekäre Arbeitsverhältnisse und für sichere und gut bezahlte Jobs. Deshalb engagiere ich mich seit Jahren als Gewerkschafterin und Betriebsrätin. Für mich ist ganz klar: Gute Arbeit braucht Mitbestimmung und starke Betriebsräte. Ich werde mich auch in Zukunft für gute Arbeitsbedingungen und gute Löhne einsetzen. Für mehr Anerkennung und faire Entlohnung, für Menschen mit Behinderung. Lohnpolitik, ist der erste Hebel zur sozialen Gerechtigkeit.

Du bist aktive Betriebsrätin und arbeitest im Hafen in Emden. Wie schaust du auf die Arbeitsbedingungen bei euch im Hafen?

Die sogenannte vierte industrielle Revolution wird die Häfen, den Verkehr und die Logistik gründlich umkrempeln. Ziele dieser Revolution sind die Rationalisierung des Produktionsprozesses und die Profitmaximierung. Die Arbeitswelt verändert sich immer mehr. Globalisierung, Digitalisierung und Automatisierung werden diese Veränderungsprozesse noch weiter beschleunigen. Wir erleben die stetige Erprobung und Einführung neuer Technologien in der Maritimen Wirtschaft. In den Häfen ist die Automatisierung beispielweise schon so weit vorangeschritten, dass ganze Bereiche nur noch vom Computer aus überwacht werden und Be- und Endladevorgänge nur noch per Joystick vonstattengehen. Durch die Verknüpfung verschiedener Softwaresysteme soll im Bereich des Automobilumschlages, das autonome Fahren eingeführt werden.

Das hört sich kompliziert an.

Es ist am Ende des Tages aber ganz einfach. Digitalisierung bedeutet, dass die Fahrzeuge, die im Hafen verladen werden, durchaus und in naher Zukunft den Weg aufs Schiff oder auf der Bahn alleine finden. Was wird dann aus den Hafenarbeiterinnen und Hafenarbeiter, die bisher die Autos gefahren haben? Es geht den Chefetagen nicht darum, den Leuten Arbeit und gute Löhne zu bringen, sondern den Rubel rollen zu lassen. Ein Kurswechsel in der Arbeitspolitik kommt nicht von allein, da müssen wir Druck machen und mehr selbst in die Hand nehmen. Um die Gewinne, die durch Automatisierung und den Einsatz künstlicher Intelligenz erzielt werden, gerechter zu verteilen, fordere ich eine KI-Steuer. Wer durch Digitalisierung und Automatisierung Kosten spart, muss in die soziale Absicherung der Beschäftigten investieren. Nur so stellen wir sicher, dass Digitalisierung den Menschen dient und nicht allein den Konzernen.

Wäre die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Branche, aus der du kommst, ein Bereich, an dem du gern im Bundestag schwerpunktmäßig arbeiten wollen würdest?

In meiner Branche braucht es einen klaren Kurswechsel. In den vergangenen Jahren dominierte die Perspektive: Wer den niedrigsten Preis verlangt, setzt sich durch. Fixierung auf einen einzigen Wirtschaftsfaktor ignoriert die Kosten, die anderswo anfallen Diese: Sinkende Löhne und unsichere Arbeitsverträge belasten nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Sozialsysteme. "Möglichst billig – koste es, was es wolle" ist deshalb in Wirklichkeit eine Umverteilung zu Gunsten der Privatwirtschaft und geht zu Lasten von Gesellschaft und Staat. Wir brauchen gut bezahlte unbefristete Arbeitsverhältnisse mit familienfreundlichen Arbeitszeiten. Der Mensch und die Familie müssen wieder mehr im Mittelpunkt stehen. Es wird Zeit, die Verkürzung der Arbeitszeit ohne Endgeldreduzierung zum Erhalt von Arbeitsplätzen in den Fokus zu rücken. Hafenarbeit hat mehr mit Politik zu tun als man denkt, denn nur wer anpackt kann etwas bewegen.

Wie genau würdest du das angehen?

Unsere Häfen, Werften und die Autoindustrie sind für die Wirtschaft sehr wichtig. Diese Branchen stehen vor enormen Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf den Strukturwandel und die notwendige Mobilitätswende. Wir müssen sicherstellen, dass dieser Wandel sozial gerecht gestaltet wird.

Es geht um eine sozial-ökologische Transformation und das ist eben auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Dabei geht es nicht nur um die soziale Absicherung der Beschäftigten, sondern um deren Einbeziehung in diese Prozesse.

Hier ist die Zusammenarbeit mit den Beschäftigten und Gewerkschaften zwingend notwendig. Die Transformation muss Hand in Hand mit der Schaffung neuer und sicherer Arbeitsplätze einhergehen. Denn eine wirklich soziale Transformation wird nur gelingen, wenn sie an den heutigen Strukturen ansetzt und für die Zukunft eine sozialistische Perspektive aufweist. 

Du bist aktive Gewerkschafterin und Betriebsrätin. Brauchen wir mehr Gewerkschafter im Parlament, damit die Welt der Arbeit wieder stärker in den Fokus rückt?

Meiner Meinung nach brauchen wir mehr Arbeiter und Arbeiterinnen in den Parlamenten, die in Gewerkschaften und sozialen Bewegungen verankert sind und sich innerhalb und außerhalb der Parlamente für gute Arbeit, faire Löhne, soziale Gerechtigkeit, ökologischen Umbau, mehr Demokratie und Frieden einsetzen. Ein weiser Mann, sagte mal "Die Befreiung der Arbeiterklasse muss das Werk der Arbeiterklasse selbst sein." Klingt etwas altmodisch, aber wo er recht hat, hat er recht.

Letzte, private Frage: Hast du ein Lieblingsbuch und wenn ja, worum geht es darin?

Zum Lesen komme ich leider nicht allzu oft, ein Lieblingsbuch habe ich zurzeit nicht, jedoch lese ich gerne Bücher von Hera Lind.

Vielen Dank für das Gespräch. Wir wünschen dir viel Erfolg für die Kandidatur.

👤
Franziska Junker arbeitet im Emdener Hafen, ist Landessprecherin von Die Linke in Niedersachsen und kandidiert für den Bundestag.
Franziska Junker mit ihren Kolleginnen und Kollegen bei einer Streikaktion.