"Wir brauchen die Stimmen der Beschäftigten in unseren Parlamenten."

Mit Julia-C. Stange kandidiert in Worms eine aktive Gewerkschafterin, alleinerziehende Mutter und Pflegekraft für den Bundestag. Sie ist eine unserer Bundessprecherinnen, die Unterstützung ihrer Kandidatur liegt uns besonders am Herzen. Wir haben sie nach ihrer Motivation und Schwerpunkten gefragt.

"Wir brauchen die Stimmen der Beschäftigten in unseren Parlamenten."
Fachkinderkrankenschwester Julia-C. Stange, Foto: Thomas Lohnes

BAG Betrieb & Gewerkschaft: Julia, du bist Direktkandidatin im Bundestagswahlkreis Worms (Wahlkreis 205) und bewirbst dich um einen vorderen Listenplatz auf der Landesliste Rheinland-Pfalz. Was motiviert dich, für den Bundestag zu kandidieren?

Julia-C. Stange: Als gewählte Direktkandidatin eines großen Wahlkreises, der Worms, den Landkreis Alzey-Worms sowie Teile des Landkreises Mainz-Bingen umfasst, habe ich mich mit großer Leidenschaft entschieden, auch für die Landesliste zu kandidieren. Rheinland-Pfalz ist ein vielfältiges Flächenland und zeigt exemplarisch die drängenden Herausforderungen unserer Zeit: Es braucht einen klaren Bruch mit dem "Weiter-So" und eine radikal soziale Wende.

Die Menschen hier brauchen dringend Entlastung – gegen die Folgen einer fatal ausgerufenen Zeitenwende, gegen rasante Preissteigerungen und zunehmende Militarisierung.

Gleichzeitig müssen wir für zentrale Ziele kämpfen: einen bundesweiten Mietendeckel, soziale Klimapolitik und ein Gesundheitssystem, das nicht Profite, sondern Menschen in den Mittelpunkt stellt – und zwar alle gleichwertig.

Was mich zusätzlich motiviert, ist der starke Zusammenhalt in Rheinland-Pfalz. In einer solidarischen Gemeinschaft gibt es hier einen konstruktiven Austausch zu den drängenden Themen. Viele tolle Projekte schaffen bereits stabile Strukturen in Städten und Verbandsgemeinden. Die Arbeit mit den Kolleginnen und Kollegen – auch innerhalb der Partei Die Linke – macht einfach Spaß. Gemeinsam im Team zu wirken, ist für mich eine besondere Bereicherung.

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Julia-C. Stange ist Fachkinderkrankenschwester, Schriftführerin im Landesvorstand von Die Linke Rheinland-Pfalz und Bundessprecherin der BAG Betrieb & Gewerkschaft.

Du bist alleinerziehende Mutter und Pflegekraft. Wie schaust du auf die Arbeitsbedingungen in der Pflege?

Als Fachkinderkrankenschwester, Gewerkschafterin und Mutter erlebe ich täglich die Konsequenzen eines auf Profit ausgerichteten Sozial- und Gesundheitssystems. Besonders im Norden von Rheinland-Pfalz spüren wir die Auswirkungen einer "kalten Strukturreform": Krankenhäuser und Geburtshilfen wurden geschlossen, und die längst überfällige Krankenhausreform lässt weiter auf sich warten – mit fatalen Folgen.

Es ist dringend nötig, die Arbeitsbedingungen aller Berufsgruppen im Gesundheitswesen zu verbessern, denn Krankenhausarbeit ist Teamarbeit. Auch die Pflege hat durch gewerkschaftliche Kämpfe wichtige Erfolge erzielt, wie die Herausnahme aus der Finanzierung über Fallpauschalen und die Refinanzierung durch Krankenkassen. Damit konnte sie sich teilweise der Marktlogik entziehen.

Dennoch bleibt noch viel zu tun, oder?

Die Pflege hat in den letzten Jahren an Selbstbewusstsein und Mitbestimmung gewonnen, wovon auch die Patient*innen profitieren – durch sichere Versorgung mit ausreichend Personal. Gleichzeitig werden die Belastungen immer sichtbarer: der Schichtdienst, der berechtigte Wunsch nach einer gesunden Balance zwischen Beruf, Familie und Privatleben, und die Forderung nach mehr Anerkennung. Statt Profite zu erwirtschaften, muss die Arbeit endlich an den Bedarfen der Patientinnen ausgerichtet sein.

Der anhaltende Pflegenotstand zeigt, wie wichtig eine Politik ist, die Menschen stärkt, Gemeinschaft fördert und nachhaltig gestaltet. Dafür setze ich mich ein – für eine Gesundheitsversorgung, die allen gleichermaßen dient.

Wäre die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege ein Bereich, an dem du gern im Bundestag schwerpunktmäßig arbeiten wollen würdest?

Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen ist ein spannendes und umfassendes Thema, das mir sehr am Herzen liegt. Ich bringe meine Erfahrungen und Expertise gerne ein, um gemeinsam mit den Kolleg*innen und den Menschen in Rheinland-Pfalz klare Ziele zu formulieren und diese engagiert auf Bundesebene zu vertreten. Denn jede*r Arbeitnehmer*in ist Fachexpert*in im eigenen Bereich – und diese Stimmen aus der Arbeiterklasse brauchen wir dringend in unseren Parlamenten. 

Neben dem Gesundheitswesen liegen mir jedoch auch andere Themen am Herzen: Die soziale Spaltung nimmt zu, und viele Menschen kommen finanziell kaum noch über die Runden. In diesen Krisenzeiten kann Die Linke eine einende Kraft sein – auch zur Stärkung der Demokratie. Besonders wichtig sind mir dabei Bildung und Chancengleichheit. 

All das kann jedoch nur gelingen, wenn Frieden als Grundlage sozialer Gerechtigkeit und Sicherheit gewährleistet ist. Die zunehmende Militarisierung sehe ich mit großer Sorge.

Als Linke setzen wir uns konsequent für Abrüstung, Diplomatie und die Reduzierung militärischer Präsenz ein. Statt Milliarden in Aufrüstung zu investieren, müssen wir soziale Sicherheit und öffentliche Daseinsvorsorge stärken. 

Diese Themen sind für mich keine abstrakten Forderungen, sondern konkrete Herausforderungen, die ich aus meiner Arbeit im Gesundheitswesen und meinem Engagement in der Landesarmutskonferenz in Mainz täglich erlebe. 

Wie genau würdest du das angehen?

Wir müssen entschieden gegen Angriffe auf Arbeitsplätze vorgehen und die Transformation unserer Wirtschaft sozial gestalten, damit niemand zurückgelassen wird. Besonders im Gesundheitswesen ist eine Reform dringend nötig. Dabei darf der Mensch im System nicht vergessen werden. Wir brauchen eine Stärkung der Arbeitsbedingungen und eine sichere Versorgung – auch in ländlichen Regionen, etwa durch gut erreichbare Geburtshilfe und Notfallversorgung. Als Bundessprecherin der BAG Betrieb & Gewerkschaft werde ich mich weiterhin dafür einsetzen, dass die Zusammenarbeit zwischen Betrieben und Gewerkschaften in der Politik stärker verankert wird.

Du bist aktive Gewerkschafterin und Personalrätin. Besuchen wir mehr Gewerkschafter im Parlament, damit die Welt der Arbeit wieder stärker in den Fokus rückt?

Ja, unsere Parlamente brauchen die Perspektiven von Arbeitnehmer*innen, um die "Welt der Arbeit" endlich wieder in den Fokus zu rücken. Gleichzeitig sind feministische Ziele wie Lohntransparenz, die Anerkennung von Care-Arbeit und die Stärkung von Antidiskriminierungsgesetzen zentrale Themen für mich. Rechte wie die Selbstbestimmung der Frau dürfen nicht durch erzkonservative Kräfte infrage gestellt werden. Geschlechts- und Identitätsdiskriminierung müssen der Vergangenheit angehören – wir brauchen eine klare Positionierung für Gleichstellung und Vielfalt.

Letzte, private Frage: Hast du ein Lieblingsbuch und wenn ja, worum geht es darin?

Wenn ich vor meinem Bücherregal stehe, sehe ich zahlreiche Krimis und historische Romane – von Ken Follett, Simon Beckett, John le Carré bis hin zu Maarten 't Hart. Besonders begeistert haben mich auch die Werke von John Irving und der historische Roman "Die Kathedrale des Meeres" des spanischen Autors Ildefonso Falcones.

Der Roman ist mit der Bautätigkeit an der Kathedrale Santa Maria del Mar verwoben und erzählt den sozialen Aufstieg von Arnau Estanyol, einem ehemaligen Leibeigenen. Seine Lebensgeschichte ist geprägt von Liebe, Krieg, Pest, Hungersnot, Hexerei, Judenverfolgung und der Inquisition. Durch die Hilfe eines Juden, dessen Kinder er vor Verfolgern gerettet hat, und eines freundlichen Mauren gelingt es ihm, aus bitterster Armut zu großem Reichtum zu gelangen. Dieses Buch hat mich während eines Urlaubs in Frankreich so sehr bewegt, dass ich mit meinen Kindern spontan nach Barcelona reiste, um diese Kirche zu besuchen. Vor Ort waren wir tief beeindruckt von der Architektur und der besonderen Atmosphäre des Gebäudes. Es war Geschichte zum Anfassen und Nachfühlen.

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für deine Kandidatur.

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