Als Gewerkschafter weiß ich, was Solidarität wirklich bedeutet.
Tobias ist Techniker und Meister im Garten- und Landschaftsbau. Er hat sich aus einfachen Verhältnissen hochgearbeitet, was mit Hürden verbunden war und oft am Geld zu scheitern drohte. Als Direktkandidat in Essen will er für Die Linke in den Bundestag und hat uns erzählt, was ihn antreibt.
BAG Betrieb & Gewerkschaft: Tobias, du bist Direktkandidat für Die Linke in Essen III. Was motiviert dich, für den Bundestag zu kandidieren?
Tobias Umbreit: Ich habe weder ein abgeschlossenes Studium noch Abitur. Mit 16 Jahren begann ich meine Ausbildung, weil die Schulzeit für mich durch Armuts- und Mobbingerfahrungen keine schöne Erfahrung war und ich dort so schnell wie möglich raus wollte. Eine Berufsausbildung war die logische Konsequenz. Menschen wie ich werden jedoch im Bundestag kaum bis gar nicht abgebildet. Dabei machen wir einen nicht unerheblichen Anteil der Bevölkerung aus.
Du bist Meister und Techniker im Garten- und Landschaftsbau. Wie schaust du auf die Arbeitsbedingungen in deiner Branche?
Als Führungskraft kann ich mich inzwischen nicht mehr allzu sehr beklagen, da ich nur noch selten draußen mit anpacken muss. Aber die meisten meiner Kolleg:innen schuften sich täglich stundenlang kaputt und werden diesen Beruf niemals bis zur Rente ausüben können. Uns alle verbindet jedoch die fehlende Anerkennung für unseren Beruf und die Fähigkeiten, die wir dafür mitbringen müssen. Außerdem sind unsere Tariflöhne, verglichen mit beispielsweise dem Maurerhandwerk oder dem Straßenbau, wesentlich schlechter, obwohl unser Gewerk auch all diese Arbeiten und noch viel mehr umfasst.
Du bist heute Führungskraft, sagst aber, dass der Weg dorthin alles andere als selbstverständlich war. Wie meinst du das und welche Rückschlüsse ziehst du da politisch draus?
Ich bin in armen Verhältnissen aufgewachsen und konnte in der Schulzeit nie mit tollen Geschenken angeben. Geburtstage habe ich nie mit Freunden gefeiert, weil keine tollen Partys möglich waren. Im Laufe meines Lebens wurde mir immer wieder von verschiedenen Menschen gesagt, dass aus mir nichts werden würde. Hinzu kommt, dass ich während meiner achtmonatigen Vollzeitfortbildung zum Techniker mein gesamtes Erspartes ausgeben musste, um über die Runden zu kommen, weil die Bezirksregierung Köln nicht mit der Beantragung der Anträge auf Aufstiegs-BAföG hinterherkommt. Hätte meine damalige Freundin mich damals nicht finanziell über Wasser gehalten, hätte ich die Fortbildung abbrechen müssen. So wie mir erging es vielen meiner Mitschüler:innen. Daran sieht man, dass die Möglichkeit zur Fortbildung aktuell vor allem auch etwas mit der finanziellen Absicherung zu tun hat.
Was waren deine politischen Schwerpunkte im Wahlkampf?
Als Malocher und überzeugtes Gewerkschaftsmitglied liegt mein Schwerpunkt natürlich vor allem auf fairen Arbeitsbedingungen und besseren Löhnen. Aufgrund meiner persönlichen Biografie liegt mir aber vor allem auch die Bekämpfung von Armut am Herzen. Denn niemand sucht sich aus, in welche Familie er oder sie geboren wird, und trotzdem ist es vor allem diese "Spermienlotterie", die darüber entscheidet, ob man Armut oder Milliarden erbt.
Wie genau würdest du das angehen?
Der wichtigste Punkt in unserem Wahlprogramm, um an den bestehenden Bedingungen etwas zu ändern, ist meiner Meinung nach die Vermögensteuer, um das Vermögen in unserem Land endlich wieder von oben nach unten zu verteilen. Das Geld, was wir daraus erzielen, muss dann direkt in Armutsbekämpfung, bezahlbaren ÖPNV, bezahlbaren Wohnraum, Kinderbetreuung, Bildung, Gesundheitsversorgung und so weiter fließen. Eine unbeschwerte Kindheit und uneingeschränkter Zugang zu Bildung dürfen nicht vom Einkommen abhängig sein. Nur so schaffen wir gleiche Chancen für alle.
Du bist aktiver Gewerkschafter. Brauchen wir mehr Gewerkschafter im Parlament, damit die Welt der Arbeit wieder stärker in den Fokus rückt?
Auf jeden Fall! Die Debatten im Parlament zeigen immer wieder, dass die meisten Politiker:innen die etwas von der "hart arbeitenden Bevölkerung" erzählen, die sich damit brüsten für "den Mittelstand" zu sprechen, oder "Arbeit muss sich wieder lohnen" fordern, haben in ihrem ganzen Leben niemals wirklich arbeiten müssen. Ihre Lebensrealität ist von der unseren so weit entfernt, dass sie komplett von unser aller Alltag abgeschottet sind. Sie leben in einer Parallelwelt. Als Gewerkschafter weiß ich, was Solidarität wirklich bedeutet. Davon brauchen wir mehr im Bundestag!
Letzte, private Frage: Hast du ein Lieblingsbuch und wenn ja, worum geht es darin?
Wenn ihr nur ein Buch wissen wollt, müsste ich mich zwischen Roman und Sachbuch entscheiden. Eines, welches beides ein wenig verbindet wäre "auf Selflove, gib mir Klassenkampft" von Jean-Philippe Kindler. Allen, die sich für einen leichten Einstieg in Kapitalismuskritik interessieren, kann ich das nur herzlichst empfehlen. Zumal der Autor ein lieber Genosse und top Mensch ist!
Danke für das Gespräch, lieber Tobias, und viel Erfolg am Sonntag!
Artikel wurde am 12. März 2025 gedruckt. Die aktuelle Version gibt es unter https://betriebundgewerkschaft.de/politik/2025/02/als-gewerkschafter-weiss-ich-was-solidaritat-wirklich-bedeutet/.