„Die Linke ist die einzige Partei, die die Interessen der Beschäftigten wirklich vertritt.“
Kay Jäger ist Hafenarbeiter und Gewerkschafter. Bei der Wahl für die Hamburgische Bürgerschaft tritt er für Die Linke in Wilhelmsburg an. Warum er das tut und es mehr Beschäftigte und weniger Schlipsträger in den Parlamenten braucht, hat er unserem Bundessprecher Jan Rübke erzählt.

BAG Betrieb & Gewerkschaft: Kay, Du bist Hafenarbeiter in vierter Generation. Was verbindet Dich mit dem Hafen?
Kay Jäger: Ich bin praktisch mit dem Hafen aufgewachsen. Mein Vater, mein Großvater und seine Brüder haben sich immer viel über die Hafenarbeit und Seefahrt unterhalten, das hat mich schon als kleinen Butscher (plattdeutsch für kleiner Junge) fasziniert. Als es noch möglich war, also vor den Anschlägen des 11. Septembers und den damit einhergehenden Port-Security Maßnahmen, bin ich sogar manchmal mit meinem Vater samstags auf eine Kurzschicht mitgekommen und saß mit ihm auf dem Stückgut-Kran, während unten seine Kollegen die Lasten angeschlagen haben.
Der andere Aspekt ist das Bewusstsein darüber, dass die Hafenarbeit auch eine Geschichte von Kämpfen und auch Siegen der Beschäftigten ist. In den 50er und 60er Jahren war Hafenarbeit noch extrem prekär und von Tagelöhnerei geprägt. Im Laufe der Zeit konnten die Beschäftigten durch einige (wenige) Streiks und einen hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad ihre Arbeitsbedingungen und Löhne so verbessern, dass die Hafenarbeit auch späteren Generationen eine Zukunft und eine solide wirtschaftliche Grundlage für ein Leben aus eigener Hände Arbeit bot. Ich möchte, dass diese Möglichkeit auch für die Generationen nach mir besteht und die Veränderungen die gerade im Hafen passieren, zu Verbesserungen für die Beschäftigten führen.
Der Hamburger Senat sowie die rot-grüne Mehrheit der Bürgerschaft haben knapp 50% der HHLA, des größten Hafenbetriebes an die weltgrößte Reederei MSC verkauft. Wer hat Euch wie in Eurem Kampf unterstützt?
Die Unterstützung sah ganz unterschiedlich aus: Innerhalb der Gewerkschaften haben wir Allianzen geschmiedet und uns gegenseitig praktisch unterstützt, es gab internationale Solidaritätsbekundungen und die Teilnahme an Protesten, Kundgebungen oder Social Media Content. Die Sozialen Bewegungen waren gemeinsam mit uns auf der Straße oder haben uns Räume, Technik und Womenpower zur Verfügung gestellt. Historiker:innen oder Menschen aus der Umweltbewegung haben gemeinsam mit uns Diskussionspanels abgehalten oder Broschüren zum Thema Hafenprivatisierung ausgearbeitet. Beschäftigte aus der Krankenhausbewegung haben sich solidarisiert und an ihre Erfahrungen mit Privatisierung erinnert.
Die Linke unterstützte uns durch Öffentlichkeitsarbeit, knüpfte Kontakte, begleitete uns durch die parlamentarischen Wirren und hat unsere Anliegen in die Bürgerschaft getragen. Besonderer Dank hierbei geht an den langjährigen Bürgerschaftsabgeordneten und hafenpolitischen Sprecher der Linksfraktion, Norbert Hackbusch. Es ist unverzichtbar für Beschäftigte, auch einen politischen Arm in den Parlamenten zu haben. Das wurde mir beim MSC Deal besonders deutlich.
Du bist Direktkandidat für die Hamburgische Bürgerschaftswahl im Wahlkreis 2 »Billstedt – Wilhelmsburg – Finkenwerder« und kandidierst auf Platz 12 Landesliste. Du hattest knapp mit 95 % das zweitbeste Stimmenergebnis auf der Versammlung. Was motiviert dich zur Kandidatur?
Die Linke ist die einzige Partei, die die Interessen der Beschäftigten wirklich vertritt. Ich möchte durch meine Kandidatur klarmachen, dass wir nicht nur stellvertretend für die Arbeiter:innenklasse Politik machen, sondern auch in ihr verankert sind. In Berlin kandidiert mit Stella Merendino eine Krankenpflegerin für den Bundestag, in Salzgitter mit Cem Ince ein Arbeiter von VW.
Um die Arbeiter:innenklasse zu erreichen, brauchen wir Kandidierende aus ihrer Mitte. Vielen Menschen, auch Gewerkschaftsmitgliedern, die heute die AfD oder gar nicht wählen fehlt die Orientierung, das Gefühl gewinnen zu können und es fehlen glaubwürdige Politiker:innen. Sie fühlen sich nicht vertreten von den Schlipsträgern ohne "richtige" Berufserfahrung, die nicht wissen wie es ist, nach einer langen Schicht völlig fertig ins Bett zu fallen oder am Ende des Monats kaum noch Geld in der Tasche zu haben.
In meinem Wahlkreis und ganz konkret in meinem Stadtteil Wilhelmsburg gibt es viele Menschen, die diese Lebensrealität teilen. Deshalb ist es uns auch wichtig, direkt vor Ort mit den Menschen Politik zu machen, aufsuchend tätig zu sein und Haustürgespräche zu führen, sowie organisierend zu wirken und dort wo es nötig ist, Hilfe anbieten zu können. Viele Ansätze und Erfahrungen aus der betrieblichen oder gewerkschaftlichen Arbeit sind hierbei übertragbar und anwendbar, das ist ein riesen Vorteil.
Als Gewerkschafter und Hafenarbeiter in der Bürgerschaft. Gab es das bereits einmal?
Das gab es schon mehrfach, links der SPD allerdings das letzte Mal 1933 in der KPD.
Was könntest Du als Abgeordneter für deine KollegInnen und die Gewerkschaften erreichen?
An erster Stelle steht bei mir aktuell ein echtes Tariftreuegesetz. Die Vergabe öffentlicher Aufträge darf nur an Unternehmen gehen, die Tarifverträge anwenden, es kann nicht sein, dass wir mit unseren Steuergeldern Tarifflucht und Lohndumping fördern. In Hamburg sind nur noch 24% der Unternehmen in Tarifbindung, das wäre eine konkrete Maßnahme um dagegen zu steuern.
Wir müssen den Privatisierungskurs des Rot/Grünen Senats stoppen und Alternativen aufzeigen. Der Senat hat mit der weitreichenden Privatisierung des Hamburger Hafens die sinnvolle Hafenkooperation der Länder Hamburg, Bremen und Niedersachsen faktisch beerdigt. Die Hafenkooperation hätte ein wichtiges Gegengewicht zur immer größer werdenden Macht der Reedereien bilden können, stattdessen denkt man in Standortlogik und Konkurrenz.
Das Laschen (Ladungssicherung der Container) muss ausschließlich durch Hafenarbeiter:innen durchgeführt werden. Aktuell lassen viele Reedereien diese gefährliche und körperlich anspruchsvolle Hafenarbeit durch ihre deutlich schlechter bezahlten Seeleute erledigen. Das ist weder im Sinne der Seeleute, noch im Sinne des Schutzes unserer Tarifverträge.
Brauchen wir mehr Gewerkschafter im Parlament, damit die Welt der Arbeit wieder stärker in den Fokus rückt?
Es gibt nichts, was unser alltägliches Leben so stark bestimmt, wie die Arbeit. Um linke Politik durchsetzen zu können, braucht es starke Gewerkschaften und stabile linke Mehrheiten. Die letzten Jahrzehnte waren, vorsichtig gesagt, nicht gerade von dem Gefühl bestimmt, der Kapitalseite besonders viel abgerungen zu haben. Die Gründe dafür sind vielfältig. Trotzdem sehen wir alle, dass sich in den letzten Jahren vieles bewegt, wenn es um die Ausrichtung und Konfliktbereitschaft der Gewerkschaften geht, aber auch die positiven Entwicklungen in der Linken und den negativen in der SPD.
Menschen wollen gewinnen, wollen Selbstermächtigung und Selbstwirksamkeit erfahren. Das gilt es für uns als Linke und als Gewerkschafter:innen zu organisieren und als politischer Arm in den Parlamenten zu wirken. Wir können die jahrzehntelange Stellvertreterpolitik, die die Menschen langfristig gelähmt und ihrer Selbstermächtigung beraubt hat, nicht mit einem Fingerschnipp wettmachen, das erfordert viel praktische Arbeit, Diskussion, Lernprozesse und vor allem die richtige Antwort auf die Machtfrage. Linke Gewerkschafter:innen, auch in den Parlamenten, können hierbei eine wichtige Rolle spielen.
Zuletzt eine eher persönliche Frage: Hast du ein Lieblingsbuch und wenn ja, worum geht es darin?
Ich habe immer nur "aktuelle" Lieblingsbücher, meistens ist es das, das ich gerade lese. Geht glaube ich vielen Menschen so... J In "Meuterei" von Peter Mertens, dem Generalsekretär der belgischen Partei der Arbeit (PVDA-PTB), geht es um eine globale Perspektive auf den Kapitalismus, die Umbrüche und Krisen unserer Zeit mit einem klaren Fokus auf die Kernfragen Lohn, Nahrung, Krieg und Frieden. Hierbei werden immer wieder beispielhafte Erfahrungen von Personen (die britische Krankenpflegerin, die nur morgens Tee kocht, weil der Strom abends zu teuer ist und das erste mal in ihrem Leben streikt), mit gut greifbaren und einfach verständlichen wissenschaftlichen Analysen verbunden. Alles mit einer klaren sozialistischen Perspektive. Ein tolles Buch, hat viel in mir ausgelöst, große Empfehlung!
Vielen Dank für das Gespräch, lieber Kay, und viel Erfolg!
Artikel wurde am 12. März 2025 gedruckt. Die aktuelle Version gibt es unter https://betriebundgewerkschaft.de/politik/2025/02/die-linke-ist-die-einzige-partei-die-die-interessen-der-beschaftigten-wirklich-vertritt/.