„Wir sollten bewusst den Kontakt zu den Beschäftigten suchen.“

Peter Alexander ist 66 Jahre alt, war Betriebsratsvorsitzender und IG Metall Aktivist bei MOIA in Hamburg. Für Die Linke kandidiert er auf Platz 18 der Landesliste für die Hamburgische Bürgerschaft. Unserem Bundessprecher Jan Rübke hat er erzählt, was ihn antreibt.

„Wir sollten bewusst den Kontakt zu den Beschäftigten suchen.“

BAG Betrieb & Gewerkschaft: Peter, du bist am 31. Dezember 2024 nach sehr unterschiedlichen beruflichen Erfahrungen in Rente gegangen. Welche Tätigkeit hat Dich am meisten geprägt?

Peter Alexander: Von vielen unterschiedlichen positiven Stationen waren zwei Bereiche prägend: meine Tätigkeit als Leiter einer Erstaufnahmeeinrichtung für fast 500 Geflüchtete und meine Zeit bei MOIA. Im ersten Fall waren es Menschen, die in ihrer Heimat alles zurückgelassen hatten, um vor Krieg und Gewalt zu fliehen und für die mein Team und ich täglich verantwortlich waren. Bei MOIA war es ein schnell wachsendes Unternehmen mit Arbeitsbedingungen, die stark verbesserungsfähig waren. Dafür haben einige Kolleg:innen und ich einen Betriebsrat gegründet, viele Gewerkschaftsmitglieder gewonnen und so den gewerkschaftlichen Organisationsgrad stark erhöht und letztendlich gemeinsam mit der IG Metall einen Haustarifvertrag kämpft.

MOIA ist Teil des eher sozialpartnerschaftlich geprägten VW Konzerns. Warum war es so schwer, dort einen Betriebsrat aufzubauen und einen Tarifvertrag durchzusetzen?

Im Grunde war (und ist) MOIA ein Forschungsprojekt des VW-Konzerns in Hamburg für die Erprobung des autonomen Fahrens. Das Unternehmensziel des autonomen Fahrens wurde von Anfang an offen kommuniziert. Die Fahrer:innen wurden und werden für eine Übergangszeit gebraucht, sind aber ein hoher Kostenfaktor. Tariflöhne waren im Businessplan nicht vorgesehen. Erst wenn die Fahrzeuge ohne Menschen funktionieren, rechnet es sich für den Konzern. Die MOIA-Unternehmensführung wehrte sich lange gegen einen Tarifvertrag, da man die Kosten so gering wie möglich halten wollte, zu Lasten der Kolleg:innen.

Hinzu kam, dass wir Kolleg:innen aus über 30 Ländern waren. Viele wussten nicht, was ein Betriebsrat oder eine Gewerkschaft ist, Mitbestimmungsrechte oder gar das Recht auf Streik waren unbekannt. Es hat eine Zeit gedauert, bis wir gemeinsam mit der IG Metall dort das entsprechende Bewusstsein geschaffen hatten und entsprechend selbstbewusst auftreten konnten.

Du warst nicht nur Betriebsratsvorsitzender und IG Metaller. Du warst auch gewerkschaftspolitisch und politisch als Linker aktiv. Und das in einem Betrieb, in dem die Gewerkschaft erst aufzubauen war. Was bedeutet das konkret?

Zunächst einmal war es mir wichtig, als neu gewählter Betriebsratsvorsitzender die Arbeit im Unternehmen, die Gewerkschaftsarbeit und mein politisches Engagement sauber zu trennen, um mich nicht angreifbar zu machen. Während der Tarifauseinandersetzungen wurde mein politischer Einsatz deutlicher, denn die Kolleg:innen nahmen wahr, dass ich den Streik im Tierpark Hagenbeck oder bei der Hamburger Hochbahn unterstützte, ebenso wie die Kolleg:innen dort uns unterstützten. Ich sprach in meinen Pausen und in meiner Freizeit auch über die Kampagne #wirfahrenzusammen, sammelte Unterschriften. Nicht zuletzt die Unterstützung der Landesarbeitsgemeinschaft Betrieb & Gewerkschaft und der linken Parlamentarier in Bundestag und Bürgerschaft zeigte den Kolleg:innen, dass es eine Partei gibt, die an der Seite der Beschäftigten kämpft. Mein Nachfolger als Betriebsratsvorsitzender, Tolga Arik, ist kürzlich in Die Linke eingetreten, was mich natürlich sehr freut, andere Kolleg:innen überlegen noch.

Du kandidierst auf Platz 18 der Landesliste. Was hat Dich dazu motiviert?

Ich habe gesehen, was Solidarität und Geschlossenheit bewirken können und wie man auf politischer Ebene die Dinge beeinflussen kann. Daher möchte ich meine langjährigen Erfahrungen aus Lohnarbeit und Selbständigkeit einbringen, für eine starke linke Stimme in Hamburg. Mir ist es wichtig, den regelmäßigen Austausch der Fraktion mit Gewerkschaften und Betriebsräten zu verstetigen. Auch sollten wir bewusst den Kontakt zu den Beschäftigten in den Betrieben suchen.

Was könntest Du als Abgeordneter für deine ehemaligen Kolleg:innen und die Gewerkschaften erreichen?

Ziel ist eine Erhöhung der Tarifbindung und ein Landesmindestlohn von 15,- Euro. Die Stadt Hamburg darf keine Aufträge an nicht-tarifgebundene Unternehmen vergeben. Die Menschen müssen von ihren Löhnen und Gehältern leben können. Und die Mieten müssen runter. In Hamburg und bundesweit!

Brauchen wir mehr Gewerkschafter im Parlament, damit die Welt der Arbeit wieder stärker in den Fokus rückt?

In Hamburg ist uns bei der Aufstellung der Landesliste eine gute Mischung gelungen. Wir haben junge aktive Gewerkschafter:innen und ältere wie mich. Und das ist gut so. Es ist wichtig, als Politiker:in zu wissen, worüber man spricht und zu entscheiden hat. Da darf gewerkschaftliche Expertise nicht fehlen.

Zuletzt eine eher persönliche Frage: Hast du ein Lieblingsbuch / Film und wenn ja, worum geht es in dabei?

Ich habe zu viele Lieblingsbücher und -filme, um sie hier aufzuzählen. Aktuell lese ich "Das Ende von Eddy" des bekannten französischen Schriftstellers Edouard Louis. Sein autobiografisches Buch handelt von seinem Aufwachsen als schwuler Junge in proletarischen Verhältnissen der französischen Provinz. Mir gefällt das Buch sehr gut und ich empfehle, es zu lesen.

Danke für das Gespräch, lieber Peter, und viel Erfolg am Sonntag!