Zur Sache: Leiharbeit verbieten!

Schlechter mit Tarifvertrag? Gesetzliche Mindeststandards bei der Leiharbeit sind möglich, wenn es ein Tarifvertrag regelt. Die GroKo-Reform der Leiharbeit nützt Vielen, aber keinem Leiharbeiter. Dann kann man auch gleich abschaffen, findet Jan Richter.

Zur Sache: Leiharbeit verbieten!
Foto von Christopher Burns / Unsplash

Ende letzten Jahres drang an die Öffentlichkeit, wie die Große Koalition Werkvertrags-Missbrauch verhindern und Leiharbeit weiterentwickeln will: Leihdauer maximal 18 statt 24 Monate und gleiches Geld für gleiche Arbeit gibt's erst nach neun Monaten - beides unterlaufbar mit Tarifvertrag. Acht Kriterien sollen helfen, Scheinwerkverträge zukünftig leichter zu identifizieren. Betriebsräte erhalten nur ein Informationsrecht. An der prekären Situation derer, die es betrifft, ändert das nichts: Mehr als die Hälfte der Leiharbeiter wird weniger als drei Monate verliehen, zwei Drittel zum Niedriglohn!

Die CDU stoppte den Vorstoß umgehend und Nahles (SPD) musste nachsitzen. Ergebnis: Die Ausweitung der Leihdauer ist nun auch nicht-tarifgebundenen Unternehmen möglich, Equal Pay ausdehnbar auf 15 Monate und Kriterien zur Identifizierung von Scheinwerkverträgen wurden gänzlich gestrichen. Da es zum Wesen der GroKo gehört, sämtliche sozialpolitischen SPD-Vorhaben derart zu zerschießen, dass sie für Betroffene bloß keine Wirkung mehr entfalten, zückte nun die CSU ihre Veto-Karte. Verknüpft mit Forderungen bei der Erbschaftssteuer macht diese Millionen Beschäftigte zum Spielball, damit Reiche am Ende nicht nur reich bleiben, sondern ihre Erben noch reicher werden.

Dabei sollte Leiharbeit einst vorübergehend Auftragsspitzen und Personalengpässe abdecken. Arbeitgeber missbrauchen Leiharbeit seitdem systematisch als Druckmittel zum Lohndumping gegen Stammbelegschaften. Wer mit diesem Wissen die Leihdauer nicht am Arbeitsplatz selbst, sondern weiterhin an der Person des Leiharbeiters festmacht, war nie ernsthaft daran interessiert, Missbrauch einzudämmen.

Stammarbeitsplätze werden weiterhin mit ständig austauschbaren Beschäftigten legal vernichtet. Dass diese Mindeststandards durch Tarifvertrag unterschritten werden können, ist natürlich ein Problem. Der DGB sitzt bei jeder arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Entscheidung vorab mit am Verhandlungstisch. Trotz sozialpartnerschaftlichem Dialog verhandeln die Arbeitgeber jedes Mal allein nach. Am Ende protestiert der DGB dann vorm Bundestag gegen das, woran er selbst mitgewirkt hat. Das ist grotesk.

Wer aber bei jeder Sauerei für Beschäftigte mit am Tisch sitzt, macht sich auf Dauer überflüssig. Wann ist es für Gewerkschaften eigentlich zur Maxime geworden, dass schon "ein bisschen" besser ist, als "nichts"? Wir verdanken Gewerkschaften und ihren konsequenten Streiks die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall per Gesetz. Die Charité-Beschäftigten haben aktuell eine Mindestbesetzung erstreikt. Wenn Weitere ihrem Beispiel folgen, erhöht sich vielleicht der Druck hin zu einem Gesetz. Wenn prinzipiell der Gesamtbereich der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen tariflich geregelt werden kann, sind über Löhne und Arbeitszeiten hinaus auch strategische Vorgaben zu Investitionen und Werkverträgen möglich – der notwendige Weg, um Leiharbeit erst durch Tarifvertrag und letztlich per Gesetz zu verbieten.

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Jan Richter ist Bundessprecher der BAG Betrieb & Gewerkschaft