Handlungsfähigkeit der Gewerkschaften stärken
von Ulrike Eifler
Die Beziehung zwischen Kapital und Arbeit war in Deutschland jahrzehntelang durch den Begriff der Sozialpartnerschaft geprägt: Sozialer Frieden im Tausch gegen soziale Zugeständnisse. Seit den 90er Jahren ist es nicht nur schwieriger geworden, den Unternehmern solche Zugeständnisse abzuringen, vielmehr müssen erkämpfte Errungenschaften gegen Angriffe der Arbeitgeber verteidigt werden. Nicht nur die Agenda 2010, auch die Bahnprivatisierung, die Ökonomisierung des Gesundheitswesens, Einsparungen im öffentlichen Dienst und eine zunehmende Arbeitsverdichtung haben die Sozialpartnerschaft als das enttarnt, was sie von Anfang an war: Ein Knüppel zwischen den Beinen der Gewerkschaften.
Neue Klassenpolitik
Gute Tarifabschlüsse bei Lokführern, Erzieherinnen und Reinigungskräften, eine höhere Personalbemessung in der Pflege und betriebliche Arbeitszeitverkürzungen in der Metallindustrie – all das zeigt: die Interessen der Beschäftigten werden nicht durch Sozialpartnerschaft, sondern nur im Konflikt mit den Arbeitgebern durchgesetzt.
Wo immer es zu Arbeitskämpfen kommt, steht die LINKE solidarisch an der Seite der Beschäftigten. Mit der Kampagne „Das muss drin sein!“ hat sie dazu beigetragen, dass die Pflegestreiks zu einer gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung über die Profitlogik im Gesundheitsbereich wurden. Das Beispiel zeigt: Linke Klassenpolitik muss mit Solidarität beginnen, aber sie darf nicht damit aufhören. Sie muss vielmehr zum Ziel haben, in gewerkschaftliche Debatten einzugreifen. Wenn sich die Interessen der Beschäftigten erfolgreich nur im Konflikt durchsetzen lassen, dann muss die LINKE diejenigen Kräfte in den Gewerkschaften stärken, die für eine konfliktorientierte Klassenstrategie stehen. Das geht nicht von außen, sondern nur aus der Klasse heraus. 42 Prozent unserer Mitglieder sind Arbeiter und Angestellte. Ein weiteres Drittel arbeitet im Öffentlichen Dienst. Auf unseren Parteitagen ist jeder Zweite Gewerkschaftsmitglied. Keine Partei ist so sehr die Partei der Arbeit wie die LINKE. Diese Verankerung muss genutzt werden, um die Gewerkschaften handlungsfähiger zu machen.
Beispiel Rente
Wie notwendig das ist, zeigte die Rentenkampagne der Gewerkschaften vor der Bundestagswahl 2017. ver.di, IG Metall und DGB traten nicht nur mit unterschiedlichen Forderungen auf. Sie beschränkten sich zudem darauf, das skandalöse Ausmaß von Altersarmut lediglich zu beschreiben, anstatt die Ursachen dafür klar zu benennen. Die Rente mit 67 spielte ebenso wenig eine Rolle wie das Arbeiten in Leiharbeit, Befristung und Niedriglohn. Als bloße Informationskampagne lief die Kampagne damit strategisch ins Leere.
Dass sie trotzdem sowohl den Wahlkampf als auch die Koalitionsgespräche dominierte, zeigt, dass die Gewerkschaften nach wie vor ein ernst zu nehmender gesellschaftlicher Akteur sind. Wie hätte sich der Wahlkampf zugespitzt, wenn sie die Abschaffung der Rente mit 67 gefordert und eine offensive Auseinandersetzung mit den Parteien gesucht hätten? Was hätte im Koalitionsvertrag stehen können, wenn die Kampagne Druck gemacht hätte für eine Regulierung von Beschäftigungsverhältnissen? Hier zeigt sich: Die Gewerkschaften müssen handlungsfähiger werden, aber dazu braucht es Impulse von links.
Strukturen aufbauen
Die LINKE wird ihren Einfluss in den Gewerkschaften nur stärken können, wenn sie sich die Strukturen dafür schafft. Die AG Betrieb und Gewerkschaft versucht, die Gewerkschaftsmitglieder unter dem Dach der Partei zu sammeln und ihnen einen organisatorischen Rahmen zu geben. Sie tut das auf bundes- und landesweiter Ebene. In einigen Städten gibt es aber auch lokale Strukturen: Linke Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter aus unterschiedlichen Betrieben und Branchen einer Stadt kommen zusammen, tauschen sich aus, organisieren Veranstaltungen oder nehmen gemeinsam an gewerkschaftlichen Aktionen teil.
Diese gewerkschaftliche Praxis verbindet die Klasseninteressen, die durch Leiharbeit, Befristungen und Outsourcing aufgesplittet wurden. Der regelmäßige Diskurs befähigt die Genossinnen und Genossen, in ihren gewerkschaftlichen Gremien für eine konfliktorientierte Gewerkschaftspolitik einzutreten. Flächendeckend könnten lokale AGs von Betrieb und Gewerkschaft zum Anker linker Gewerkschaftspolitik werden. Der Knüppel der Sozialpartnerschaft muss herausgezogen und fortgeworfen werden, damit die Gewerkschaften wieder gehen können. Es reicht deshalb nicht, wenn die LINKE ihren Platz nur an der Seite der Gewerkschaften sieht, sie muss vielmehr zu ihrem organischen und aktivsten Teil werden.
Ulrike Eifler ist Bundessprecherin der AG Betrieb & Gewerkschaft
Artikel wurde am 22. Dez. 2024 gedruckt. Die aktuelle Version gibt es unter https://betriebundgewerkschaft.de/blog/2019/04/handlungsfaehigkeit-der-gewerkschaften-staerken/.