Zur Sache: Die Weichen neu stellen

Zur Sache: Die Weichen neu stellen

Von Ulrike Eifler

DIE LINKE steckt in einer Strategiedebatte. Höchste Zeit, sagt die BAG Betrieb & Gewerkschaft. Denn die politischen Widersprüche unserer Partei sind deutlich wahrnehmbar: Während wir einerseits beanspruchen, die Partei der sozialen Gerechtigkeit zu sein, sind zurückgehende Wahlergebnisse vor allem auf Verluste bei abhängig Beschäftigten, bei Rentnerinnen und Rentnern und Arbeitslosen zurückzuführen. Immer weniger wählen uns also diejenigen, deren Interessen wir im Parlament vertreten wollen. Dabei ist keine Partei so sehr die Partei der Arbeit wie wir: 65 Prozent der Neumitglieder sind abhängig Beschäftigte. Auf unseren Parteitagen ist jede/r Zweite Gewerkschaftsmitglied.

Hinzu kommt ein zweiter Widerspruch: Die politische Polarisierung führt zwar zu einer Stärkung des linken Lagers, nicht aber zu einer Stärkung der Partei DIE LINKE. Während der Rückhalt von CDU und SPD zunehmend schwindet, sortieren sich die Mehrheiten auf der Linken wie der Rechten neu. Dabei hat sich mit der AfD zum ersten Mal seit 1945 eine Partei etabliert, die das Ziel und das Potential hat, die Arbeiterklasse auf der Grundlage nationaler und kultureller Ressentiments zu organisieren. Auf der Linken haben Bündnisse wie „Aufstehen gegen Rassismus“, „Unteilbar“ oder „Keine AfD in den Landtag“ sichtbar dagegengehalten. Die Wahlergebnisse der Partei DIE LINKE jedoch haben sie nicht gestärkt.

Wir sagen: Diese Widersprüche sind Ausdruck tiefer gesellschaftlicher Umbrüche. Klimawandel, industrielle Strukturveränderungen, wachsende Unsicherheiten am Arbeitsplatz, die Krise des Parteiensystems und nicht zuletzt der Aufstieg neofaschistischer Parteien schieben sich ineinander und verdichten sich zu einer Zivilisationskrise, die die sozialen, ökologischen und demokratischen Grenzen des Kapitalismus offenbart.

Dass es angesichts dieser Entwicklungen in unserer Partei kriselt, ist nicht ungewöhnlich, denn wir müssen uns neu dazu verhalten. Am Ende der Strategiedebatte müssen jedoch die richtigen politischen Weichenstellungen vorgenommen werden. Die BAG Betrieb & Gewerkschaft stellt hierzu fünf Thesen zur Diskussion. Darin betrachten wir die gegenwärtigen Schwierigkeiten unserer Partei als Ausdruck sich zuspitzender Klassenauseinandersetzungen und werben für eine stärkere Klassenverankerung. Statt den politischen Ausdruck der Klasse müssen wir die Klasse selbst organisieren. Die SPD hat das Milieu der abhängig Beschäftigten zerstört und heimatlos zurückgelassen. Die AfD schickt sich an, diesem Milieu eine politische Heimat anzubieten. Die Klassenverankerung der Partei DIE LINKE ist die einzige Möglichkeit, die AfD zurückzudrängen, der anhaltenden neoliberalen Offensive des Kapitals etwas entgegenzusetzen und den Kampf um eine Gesellschaft ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Klimazerstörung zu gewinnen.

Unsere 5 Thesen in Kurzform

  1. Gesellschaftliche Kräfteverhältnisse analysieren, sonst wird linke Politik voluntaristisch. Hinter uns liegen 30 Jahre neoliberale Angriffe. Sie sollten die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften brechen und den Sozialstaat der Nachkriegsära zerstören. Insbesondere Hartz IV hat die Beschäftigten diszipliniert. Gleichzeitig hat diese Politik unter aktiver Beteiligung der SPD eine Krise des Parteiensystems ausgelöst und den Aufstieg der AfD begünstigt. Damit gibt es erstmals seit 1945 eine rechte Partei, die das Potential und das Ziel hat, sich in der Arbeiterklasse zu verankern. Wer Forderungen nicht nur aufschreiben, sondern auch durchsetzen will, muss seine Strategie aus diesen veränderten Kräfteverhältnissen ableiten.
  2. Die LINKE ist bisher nur programmatisch die Partei der Arbeit. Die Klassendiskussion ist zurück im Parteidiskurs. Doch DIE LINKE tut sich schwer mit der Klasse. Dabei wird deutlich, dass Klassenpolitik und Klassenherkunft zusammengehören. Man merkt unserer Sozialpolitik an, dass wir zwar die Statistiken zu Kinderarmut kennen, ihr bedrückendes Ausmaß aber nicht ermessen können. Armut geht weit über soziale Entbehrungen und fehlende Privilegien hinaus. Sie drückt sich aus in Bildungsferne, dem Gefühl der intellektuellen Unterlegenheit, in der Gewissheit, bestimmte Dinge niemals erreichen zu können und dem Stolz, wenn sie doch gelingen. Die Klassenpolitik in DIE LINKE ist zu sehr intellektueller Diskurs und zu wenig Ausdruck realer Klassenerfahrungen.
  3. Über Armut zu reden ist noch keine Klassenpolitik. Historisch ist die Entstehung der Partei DIE LINKE untrennbar mit den Protesten gegen Hartz IV verknüpft. Unsere Kritik daran war immer der entwürdigende Umgang mit Arbeitslosen und die Disziplinierung der Belegschaften als zwei Seiten einer Medaille. Unsere fehlende betriebliche Verankerung führt jedoch dazu, dass sich unsere arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Forderungen zunehmend auf Mindestforderungen beschränken. Doch weder wollen Arbeitslose mit Almosen abgespeist werden noch wollen sich Beschäftigte mit der betrieblichen Ohnmacht zufriedengeben. Die sanktionsfreie Mindestsicherung ist eine allenfalls verwaltende Antwort auf gesellschaftliche Entwicklungen, die aktiv bekämpft werden müssen.
  4. Sozial-ökologischen Umbau mit Perspektive, die Welt grundsätzlich zu verändern, verbinden. Die gesellschaftlichen Widersprüche nehmen zu und der Kapitalismus stößt an seine ökologischen, sozialen und demokratischen Grenzen. Soziale Absicherung, Umweltschutz und Demokratie sind in einer profitorientierten Gesellschaft langfristig nicht durchzusetzen. Deshalb stellt sich die Frage nach gesellschaftlichen Alternativen. DIE LINKE muss aus dem Ausbau sozialer Infrastruktur, Mobilität und Verkehrsinfrastruktur Verteilungsfragen machen. Gleichzeitig sind alternative Mobilitätskonzepte noch keine Antwort auf die Verunsicherung der Beschäftigten. Mit der Idee einer ökologischen Industriepolitik kann die Handlungsfähigkeit betrieblicher Akteure gestärkt werden.
  5. DIE LINKE braucht Klassenverankerung – Zeit, die Klasse zu organisieren. Nur die Verankerung in der Klasse macht DIE LINKE handlungsfähig. Sie erlaubt uns nicht nur über, sondern mit der Klasse zu diskutieren. Sie gibt uns die Möglichkeit, diese für die Notwendigkeit gesellschaftlicher Veränderung zu gewinnen und die betrieblichen und gewerkschaftlichen Debatten mitzubestimmen. Die Möglichkeiten dazu sind mindestens genauso groß wie die Herausforderungen. Doch es braucht einen Fahrplan und konkrete Schritte. Notwendig ist der Aufbau von Strukturen, die dazu beitragen, handelnde Akteure in den Betrieben zu stärken. Wir brauchen lokale B&G-Strukturen, einen Gewerkschaftsrat und regelmäßige Treffen der Partei- mit der Gewerkschaftsspitze.

Ulrike Eifler ist Bundessprecherin der BAG Betrieb & Gewerkschaft

Unser ausführliches Thesenpapier findet ihr hier: