Die Europäische Linke und die Corona-Krise

Die Europäische Linke und die Corona-Krise

Von Heinz Bierbaum

Die Corona Pandemie hat die ohnehin bestehende Krise in Europa noch einmal deutlich verschärft und die EU in eine Existenzkrise gestürzt. Die europäische Politik ist gescheitert, was sich insbesondere im Ge­sundheitswesen zeigt. In dieser Situation ist die Europäische Linke (EL) gefordert, sich zu positionieren und Wege aufzuzeigen, wie man aus dieser Krise herauskommt.

Sie hat nun eine Plattform mit dem Titel „Die Corona Krise und ihre Kon­sequenzen für die Europäische Politik“ vorgelegt. Ausgehend von der Fest­stellung des tiefgreifenden Charakters der Krise, die als eine systemische Krise interpretiert wird, werden Aktivitäten in fünf Bereichen gefordert:

  1. Zunächst geht es um einen umfassenden Schutz der Bevölkerung. Dies erfordert eine Stärkung des Gesundheitssystem auf europäischer Ebene. Konkret wird die Einrichtung eines Europäischen Gesundheitsfonds in Höhe von 100 Milliarden Euro gefordert, dessen Finanzierung über die EZB erfolgen soll.
  2. Einen zweiten Bereich stellt die Wirtschaft dar, auf den wei­ter unten eingegangen wird.
  3. Drittens warnt die EL davor, die Bekämpfung des Virus als Vorwand zum Abbau von Demokratie zu nehmen. Notwendi­ge Beschränkungen müssen die Ausnahmen bleiben und dürfen nicht zum Dauerzustand werden.
  4. Viertens fordert die EL, die Corona-Krise zum Anlass zu nehmen, um Abrüstung und Frieden in den Mittelpunkt der Politik zu stellen. Dabei sind insbesondere die Militärausgaben drastisch zugunsten der Ausgaben für die Gesundheitsversorgung zu reduzieren.
  5. Und fünftens gilt es, verstärkt internationale Solidarität zu praktizieren.

 

Kernstück ist eine radikale Änderung in der europäischen Wirtschaft- und Gesellschaftspolitik. Die Austeritätspolitik muss beendet werden. Maßnah­men zum wirtschaftlichen Wiederaufbau sind notwendig. Im Zentrum steht ein wirtschaftliches Aufbauprogramm. Das von der EU-Kommission vorgeschlagene und gegenwärtig in der Beratung befindliche 750-Milliar­den-Programm stellt einen Schritt in diese Richtung dar. Es ist allerdings deutlich zu gering. Doch es stellt einen Paradigmenwechsel in der EU-Po­litik dar und ist ein Schritt in die richtige Richtung. Denn damit ist eine gemeinschaftliche Schuldenaufnahme verbunden, was bisher immer abge­lehnt wurde. Allerdings ist die Anbindung an das „Europäische Semester“ und damit an die nationale Haushaltsdisziplin klar abzulehnen. In diesem Zusammenhang ist auch der Wachstums- und Stabilitätspakt nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft aufzuheben. Die von der Linken seit langem geforderten Eurobonds sind weiterhin notwendig, stellen sie doch ein einfaches Instrument ökonomischer Solidarität durch die gemeinschaft­liche Haftung dar, wodurch die Zinsen auch für die Länder niedrig sind, die ansonsten stärker belastet würden.

Das geforderte Investitionsprogramm soll vor allem auf die notwendige ökologische Konversion der Industrie ausgerichtet sein und dabei die sozi­alen Belange berücksichtigen, mithin der sozial-ökologischen Transforma­tion dienen. In diesem Zusammenhang wird auf das vom ITUC initiierte Programm „Just Transition“ verwiesen, das eben die Verbindung von öko­logischen und sozialen Erfordernissen zum Inhalt hat. Zur Finanzierung soll die EZB herangezogen werden, deren Mandat in diese Richtung zu ändern ist.

Gefordert ist ein radikaler politischer Richtungswechsel. Bei der notwen­digen politischen Veränderung als Konsequenz der tiefgreifenden Krise müssen freilich die Kräfteverhältnisse berücksichtigt werden. Diese be­günstigen gegenwärtig keine linke und progressive Alternative. Vielmehr droht die Gefahr einer autoritären, nationalistisch geprägten Antwort auf die Krise, wie dies beispielsweise in Ungarn zu beobachten ist. Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, dass die Linke aufhört, sich ständig zu zer­streiten, sondern zu einer klaren Orientierung findet, was unterschiedliche politische Positionen keineswegs ausschließt. Dabei ist die europäische Zusammenarbeit von größter Bedeutung. Das jährliche „Europäische Fo­rum“ bietet dafür eine gute Plattform. Die Linke wird nur stark werden, wenn sie zu einem gemeinschaftlichen gesellschaftlichen Projekt findet, dass die Unterstützung wesentlicher gesellschaftlicher Kräfte genießt. Dazu zählen die sozialen Bewegungen ebenso wie die Gewerkschaften. Es gilt die Bewegungen gegen den Klimawandel („Fridays for future“) oder auch für eine humane Migrationspolitik zu unterstützen. Den Gewerk­schaften kommt eine besondere Bedeutung zu, weil sie im Zentrum der zu erwartenden sozialen Auseinandersetzungen um die Frage, wer denn die Kosten der Krise tragen soll, stehen werden. Sie werden im Hinblick auf Löhne und Arbeitsbedingungen erheblich unter Druck geraten. Es wird Aufgabe der Linken sein, sich für eine offensive gewerkschaftliche Politik, die betriebliche Interessen mit gesellschaftlicher Perspektive verbindet, einzusetzen.

Von Heinz Bierbaum, Präsident der Partei der Europäischen Linken