Solidarität mit den Beschäftigten bei der Post und im öffentlichen Dienst

Solidarität mit den Beschäftigten bei der Post und im öffentlichen Dienst

Die Tarifrunden in diesem Jahr stehen unter dem Zeichen von Krise und Krieg. Eine Inflation von zehn Prozent macht es nicht leichter, gute Abschlüsse für die Beschäftigten durchzusetzen. Die Debatte um Auslagerungen bei der Post oder die Einschränkung des Streikrechts zeigen: Tarifpolitik spitzt sich zu. Die BAG Betrieb & Gewerkschaft steht solidarisch an der Seite der streikenden Kolleginnen und Kollegen.

von Ulrike Eifler 

Die Tarifauseinandersetzung bei der Deutschen Post AG spitzt sich zu. Während ver.di nach drei gescheiterten Verhandlungsrunden die Urabstimmung über Streiks einleitet, läuft sich das Management für die Auseinandersetzung warm. Es droht mit einer stärkeren Fremdvergabe des Briefgeschäfts, sollte ver.di an „maximalen Lohnsteigerungen“ festhalten. Gleichzeitig wird in der politischen Debatte wieder einmal das Streikrecht in Frage gestellt. Die zugespitzte Auseinandersetzung muss im Kontext von Krise und Krieg gesehen werden und gibt möglicherweise einen Vorgeschmack darauf, dass sich Tarifpolitik unter den Bedingungen von Inflation und Energiepreiskrise verschärft.

15 Prozent mehr Lohn hatte ver.di für die 160.000 Tarifbeschäftigten gefordert. Hintergrund sind die Reallohnverluste infolge von Energiepreiskrise und Inflation. Bei der Post ist der Druck zudem besonders hoch, denn seit 2010 blieb hier die Tarifentwicklung hinter der der Gesamtwirtschaft zurück. Während die Tarifverdienste bei der Deutschen Post AG zwischen 2010 und 2022 um etwa 25 Prozent stiegen, lag die Entwicklung in der Gesamtwirtschaft bei 35 Prozent.

In den drei Verhandlungsrunden hatten die Arbeitgeber keinerlei Bereitschaft gezeigt, die Reallohneinbußen der Beschäftigten durch ein angemessenes Angebot auszugleichen. Auf 10,5 Prozent mehr Lohn hatte sich die Arbeitgeberseite verständigt. Außerdem eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000 Euro. Dass ver.di das Angebot dennoch abgelehnt hat, hat vor allem mit der langen Laufzeit von 24 Monaten zu tun. Insgesamt dient es nicht dazu, die Reallohnverluste der letzten Jahre auszugleichen, schreibt ver.di: „Das Angebot ist sehr kompliziert und kombiniert die Inflationsausgleichsprämie mit Festbetragserhöhungen. (…) Unter dem Strich liegt die durchschnittliche Tariferhöhung gewichtet über alle 160.000 Tarifbeschäftigte bei nur 9,9 % in 24 Monaten. Das ist zu wenig mit so einer langen Laufzeit und bei so einer hohen Inflation.“

Nicht nur die Höhe der Tarifforderung, auch die Ablehnung des Angebotes zeigen eine sinkende Bereitschaft, mit schlechten Konjunkturprognosen über bescheidene Abschlüsse hinweggetröstet zu werden und sich auf einen Abschluss mit langen Laufzeiten verpflichten zu lassen. Dies wird auch in anderen Tarifrunden deutlich. Die EVG forderte 12 Prozent, mindestens aber 650 Euro mehr. Die Forderung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst liegt bei 10,5 Prozent mehr Gehalt und ein Inflationsausgleich für die mittleren und unteren Einkommen.

Die Zahlen zeigen: Die anhaltende Krisendynamik und die hohe Inflation stellen Tarifarbeit völlig zu Recht unter einen großen Erwartungsdruck der Beschäftigten. Die Tarifrunden, die die erste Jahreshälfte bestimmen werden, sind der öffentliche Dienst, die Post, der Nah- und Fernverkehr und – last, not least – auch der Handel. Deren Beschäftigte haben während der Corona-Pandemie unter hohem persönlichem Einsatz und großem gesundheitlichem Risiko verhindert, dass die gesellschaftliche Versorgung zusammenbricht. Zweistellige Tarifforderungen spiegeln nun die wachsenden finanziellen Belastungen in der aktuellen Lebenshaltungskostenkrise wider.

Wie sehr Tarifpolitik inzwischen im Kontext von Krise und Krieg steht, zeigt aber vor allem die Tarifrunde im öffentlichen Dienst. Der TVÖD regelt die Arbeits- und Entgeltbedingungen für 2,8 Millionen Beschäftigte und gilt als einer der mächtigsten Tarifverträge in Deutschland. Die Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst ist deshalb besonders, weil am Verhandlungstisch gewählte Politikerinnen und Politiker sitzen. Und Verhandlungsführerin Nancy Faeser hat bereits Unverständnis für die Forderung der Gewerkschaften gezeigt und auf die „angespannte Haushaltlage bei Bund und Kommunen“ hingewiesen. Die vor einem Jahr beschlossenen 100 Milliarden Euro Sondervermögen machen die seit Jahren bestehende falsche politische Prioritätensetzung der Bundesregierung nun sichtbar. Nun zeigt sich, dass das Sondervermögen Geld bindet, das aufgewendet werden müsste, um Menschen vor Armut zu schützen.

Die Tarifpolitik in diesem Jahr bewegt sich also nicht nur in einem zugespitzten Konflikt zwischen Kapital und Arbeit, sondern muss sich auch gegenüber einer kriegführenden Bundesregierung behaupten. Dass die CDU-Mittelstandsunion angesichts der massiven Bestreikung deutscher Flughäfen nun das Streikrecht für die Beschäftigten der kritischen Infrastruktur einschränken möchte, ist zwar keine neue Diskussion, könnte aber im Zuge der Krisendynamik an Fahrtwind gewinnen.

DIE LINKE hat deshalb vor allem die Tarifrunde im öffentlichen Dienst in den Blick genommen. Kampagnenmaterial soll die Genossinnen und Genossen auf regionaler Ebene in die Lage versetzen, auf Warnstreiks Solidarität zu zeigen. Auch die Bundestagsfraktion hat ein Flugblatt entworfen. Mittels einer kleinen Anfrage wurde die Bundesregierung nach Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst, aufgeschlüsselt nach Bund und Ländern, befragt, um die Tarifrunde argumentativ zu unterstützen und die öffentliche Debatte mitzubestimmen. Hinzu kommt: Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke und die zuständige Bundesfachbereichsleiterin Christiane Behle werden im Verlaufe der Tarifrunde zu Gast in der Bundestagsfraktion sein. Die Aktivitäten von Partei und Fraktion spiegeln die enorme Bedeutung dieser Tarifrunde als zentrale aktuelle Umverteilungsauseinandersetzung wider.

Unterm Strich werden die Tarifrunden in diesem Jahr die Aufgabe haben, die Beschäftigten der sogenannten kritischen Infrastruktur vor weiteren Reallohnverlusten zu schützen. Die Umverteilungskämpfe haben zugenommen, auch weil der Krieg in der Ukraine riesige finanzielle Ressourcen bindet. Wenn also der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius sagt, Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst schmälern den Spielraum für Investitionen in die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr, dann müssen wir die Kolleginnen und Kollegen im Kampf um kräftige Tariferhöhungen nach Kräften unterstützen, um dem Kriegstreiben ein Ende zu machen.

Ulrike Eifler ist Bundessprecherin der BAG Betrieb & Gewerkschaft

Ihr findet uns bei Facebook, Instagram und Twitter