Rentenreform statt Aktienzockerei

Mit Gewinnen am Aktienmarkt die Rentenbeiträge senken? Kein guter Deal für die Beschäftigten, warnt Matthias W. Birkwald. Durch das Generationenkapital wird torpediert, was für eine gute Rente unerlässlich ist: ein sicherer Arbeitsmarkt und gute Löhne.

Rentenreform statt Aktienzockerei
Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa

Von Matthias W. Birkwald

Das Rentenpaket II markiert einen rentenpolitischen Sinneswandel: Die Rentenhöhe wird endlich nicht mehr dem Dogma stabiler Beitragssätze unterworfen. Stattdessen soll das Rentenniveau bis 2040 bei den aktuellen 48 Prozent bleiben. Ansonsten wäre es unter 45 Prozent abgesunken. Das könnte man fast als "linke Rentenpolitik light" bezeichnen, wenn SPD und Grüne nicht unter Beifall der FDP das Rentenniveau erst schändlicherweise von 53 auf 48 Prozent abgesenkt hätten. Die Ampel mildert künftig nur ein Problem ab, das sie selbst geschaffen hatte.

Der Preis: auf FDP-Wunsch soll das sogenannte "Generationenkapital" eingeführt werden. 200 Milliarden Euro werden auf Pump (!) am Aktienmarkt angelegt, um mit den Gewinnen ab Mitte 2036 die Rentenbeiträge zu dämpfen. Gelänge dies, werden die Einsparungen für die Beschäftigten fast bedeutungslos bleiben. Laut Referentenentwurf der Bundesregierung mögen Durchschnittsverdienende dann im Jahr 2040 in aktuellen Werten einen um 5,67 Euro monatlich niedrigeren Rentenbeitrag zahlen. Na, Donnerwetter! Das sind gerade einmal zweieinhalb Kölsch. Lächerlich! Dazu kommen die hohen Risiken des "Generationenkapitals". Es wird wohl in illiquide Anlagen und Private-Equity-Unternehmen investiert werden. Dadurch werden nicht nur Immobilien und Pflegeheime zu Renditeobjekten; nach Studien der Hans-Böckler-Stiftung sinken in solchen Unternehmen die Tarifbindung und die Löhne. Das sogenannte "Generationenkapital" wird torpedieren, was für eine gute Rente wichtig ist: einen guten Arbeitsmarkt und gute Löhne. Nein, danke.

Generationengerechtigkeit gibt es nur durch eine Stärkung der gesetzlichen Rente. Deshalb fordern wir Linken die Einführung einer Erwerbstätigenversicherung, in die auch Selbstständige, Freiberufler, Beamte und zuerst Bundestagsabgeordnete einzahlen müssen. Das Rentenniveau muss wieder rauf auf 53 Prozent. Darum fordere ich, die Renten sofort außerordentlich und zusätzlich um zehn Prozent anzuheben. Zudem sollten die Arbeitgeber überproportional Rentenbeiträge zahlen, so, wie z.B. in Österreich, Frankreich, Spanien und Schweden. Dort klappt es gut.

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Matthias W. Birkwald, MdB ist Sprecher für Alterssicherungs- und Rentenpolitik der Gruppe Die Linke im Bundestag.
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Der Beitrag stammt aus der diesjährigen Mai-Ausgabe unserer Zeitung, die ihr hier findet: Heraus zum 1. Mai – gegen Krise und Krieg (Mai 2024).

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