Frankreich vor einer Schicksalswahl
Über Politik entscheiden die Kräfteverhältnisse in der Gesellschaft und in den Betrieben. Die Gewerkschaften beteiligen sich in Frankreich an den Mobilisierungen der neuen linken Volksfront. Deren Programm hat sich Armin Duttine angeschaut.
Von Armin Duttine
Wahlen entscheiden selbstverständlich nicht alles. Über die konkrete Politik entscheiden letztendlich die Kräfteverhältnisse in der Gesellschaft und in den Betrieben. Die Rahmenbedingungen werden ebenfalls durch globale Rahmenbedingungen gesetzt. Dabei schlittert das kapitalistische Wirtschafts- und Herrschaftssystem von einer Krise in die nächste – von der Finanz- und Wirtschaftskrise in die Covid-Krise und nun in die Krise der gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen globalen Machtblöcken im Kampf um Ressourcen und globalen Einfluss mit der Folge der starken Erhöhung der Preise insbesondere bei Energie, Lebensmitteln und Wohnen. Die Klimakrise spitzt sich parallel immer mehr zu.
Besonders in die Krise droht die wirtschaftliche und politische Situation in Frankreich zu geraten. Nicht erst seit der Präsidentschaft von Macron, sondern bereits unter dem konservativen Präsidenten Sarkozy und dem sozialistischen Präsidenten Hollande wurden jahrelang soziale Rechte abgebaut, die Bedingungen für die Beschäftigten durch Reformen des Arbeitsrechts verschlechtert, Kündigungen erleichtert, der Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Betrieben verringert, der öffentliche Dienst vor allem bei Gesundheit und Bildung durch Personalabbau und unzureichende Lohnerhöhungen geschliffen, der gesetzliche Mindestlohn unzureichend erhöht und gleichzeitig zahlreiche Steuergeschenke an die Reichen verteilt – wie umfangreiche Steuererleichterungen für die Unternehmen bereits vor Macron und die Abschaffung der Vermögensteuer unter Macron-, ohne positive wirtschaftliche Wirkungen zu erzielen. Prekarität und Armut haben stark zugenommen, die Reichen werden immer reicher.
Schon seit mehreren Jahren gibt es klare Anzeichen dafür, dass eine immer größere Zahl von Menschen buchstäblich die Schnauze voll ("ras-le-bol") hat. Viele kommen zunehmend nicht mehr über die Runden, nicht mehr nur gegen Ende des Monats ("fin du mois"), sondern schon zu dessen Beginn. Zahlreiche jahrelange Proteste von Gewerkschaften, insbesondere gegen die Arbeitsmarkt- und Rentenreformen und die Proteste der Gelbwestenbewegung gegen die prekären Lebensbedingungen und für eine bessere politische Repräsentanz wurden von den Herrschenden in ihrem Kern weitgehend ignoriert.
Viele Menschen haben erkannt, dass die Fortsetzung der neoliberalen Konzepte ihre Situation weiter verschlechtern wird. Bei der Europawahl lagen am Ende in Frankreich und in Österreich Rechtsradikale an der Spitze, in Frankreich gewannen auf der rechtsradikalen Seite der Rassemblement National (RN, früher Front National) und eine weitere rechtsradikale Liste insgesamt 37 Prozent bzw. 35 Sitze. Auf der linken Seite konnten Sozialisten und Verbündete, Grüne und La France Insoumise (LFI) insgesamt 27 Sitze gewinnen und erreichten zusammen mit den Kommunisten knapp 32 Prozent der Stimmen. Das Lager der liberalen Macronisten und die Konservativen erreichten insgesamt abgeschlagen knapp 22 Prozent und 19 Sitze.
Der französische Präsident entschied sich für viele überraschend noch am Abend der Europawahlen dafür, vorgezogene Wahlen zur französischen Nationalversammlung auszurufen, die am 30. Juni und am 07.Juli 2024 stattfinden werden. Es stellen sich nun aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger konkret zwei Alternativen, um für eine neue Politik zu stimmen: die Wahl einer rechtsradikalen Regierung unter Führung des RN oder eine linke Alternative. Es werden in Frankreich bei nationalen Wahlen die Abgeordneten in die Nationalversammlung gewählt, die in ihren jeweiligen Wahlkreisen (insgesamt 577) in der ersten Runde mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten oder sich in der 2. Runde Runde dann unter zwei oder zum Teil drei übrig gebliebenen Kandidat*innen mit absoluter oder einfacher Mehrheit durchsetzen.
Aufgrund dieses Wahlrechts ist es deshalb nun wichtig, sich in politischen Blöcken zusammenzufinden. Besonders große Probleme haben die bürgerlichen Kräfte. Der Parteivorsitzende der Konservativen hat sich bereits mit der rechtsradikalen Seite verbündet, die bereit ist, in 70 Wahlkreisen bürgerliche statt rechtsradikale Kandidat*innen aufzustellen. Der Parteivorstand der Konservativen ist derzeit jedoch nicht bereit, dieser Linie des Parteivorsitzenden zu folgen und hat seine Absetzung beschlossen.
Auf der linken Seite hat sich nun aufgrund der großen Gefahr einer rechtsradikalen Regierung und vor dem Hintergrund, dass die bürgerlichen Kräfte in den Augen vieler Menschen abgewirtschaftet haben, wiederum eine breite Allianz gebildet. Diese reicht von der Sozialistischen Partei und ihren Verbündeten über die Grünen und Kommunisten bis zur Nouveau Parti Anticapitaliste (NPA) und beinhaltet die in den letzten Jahren auf der linken Seite dominierende LFI von Jean-Luc Mélenchon. Bei der Europawahl lagen jedoch die Sozialisten und ihre Verbündeten vor France Insoumise. Schon 2022 wurde zur damaligen nationalen Parlamentswahl ein breites linkes Bündnis mit dem Namen "Nouvelle Union populaire écologique et sociale" (NUPES) gebildet. Dieses stand unter Führung des LFI, scheiterte jedoch an politischen und persönlichen Differenzen. Während der Auseinandersetzung um die Rentenreform gab es auch Verstimmungen zwischen den Gewerkschaften und dem LFI bezüglich des Vorgehens gegen die Reform. Am 13. Juni 2024 wurde das linke Bündnis unter dem Namen "Nouveau Front Populaire" (neue Volksfront, unter Anspielung auf die Front Populaire in den 1930er Jahren) wieder belebt, dieses Mal mit einer kollektiven Führung. Während man sich auf jeweils gemeinsame Kandidaturen in den einzelnen Wahlkreisen schnell einigen musste, da dies bis zum 16. Juni 2024 feststehen musste (dabei reicht die Spanne der Kandidaturen vom früheren sozialistischen französischen Präsidenten Hollande bis zu Philippe Poutou von der NPA), besteht noch keine Einigung, wer als Premierministerin oder Premierminister bei einem Wahlsieg zur Verfügung stehen soll. Diese Frage führt zum Teil auch zu Spannungen innerhalb der neuen Volksfront.
Was beinhaltet nun das Programm der neuen Volksfront, das am 14. Juni 2024 vorgestellt wurde? Es ist in manchen Punkten weniger radikal als das aus dem Jahr 2022. Das Programm ist eingeteilt in Maßnahmen für die ersten 15 Tage nach Regierungsübernahme, dann für 100 Tage sowie für die Zeit danach.
Folgende Maßnahmen werden für die ersten 15 Tage unter anderem vorgeschlagen:
- Einfrieren Preise Grundnahrungsmittel, Energie, Kraftstoffe
- Aufhebung der Erhöhung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre
- Reform der Arbeitslosenversicherung. Diese beinhaltet nach dem Willen der jetzigen Regierung längere Beitragszeiten und die Verringerung des Arbeitslosengeldes. Sie tritt trotz der vorgezogenen Neuwahlen zwischen beiden Wahlgängen am 1. Juli 2024 in Kraft.
- Erhöhung gesetzlicher Mindestlohn und Mindestrente auf Schwelle Armutsniveau: Mindestlohn auf 1.600 Euro netto monatlich; Erhöhung Indexpunkte Beschäftigte im öffentlichen Dienst um zehn Prozent (war jahrelang eingefroren, was zu einer weitgehenden Stagnation der dortigen Gehälter führte); Erhöhung Entlohnung Praktikant*innen und Auszubildende
- Besteuerung der Übergewinne der Lebensmittelkonzerne und der großen Supermärkte
- Moratorium für den weiteren Bau von Autobahnen
- Wiederaufleben des Baus von Sozialwohnungen mit der Aufhebung der Streichung der Förderung von 1,4 Milliarden Euro durch die Macron-Regierung
- Obdachlose: Schaffung von Notunterkünften, in Notfällen Beschlagnahmung leerer Wohnungen
- Öffentliche Dienste
- Einberufung einer Konferenz, um die öffentlichen Krankenhäuser zu retten
- Erste Schritte für komplette Kostenfreiheit Schulen: Kantine, Transport, Aktivitäten um Schule herum
- Frieden
- Diplomatieoffensive: Klima, u.a. zur Schaffung eines Internationalen Gerichtshofs für Klima- und Umweltgerechtigkeit
- Gesundheit: freie Patentrechte für Impfstoffe
- Demilitarisierung des Weltraums
- Französische Entwicklungshilfe auf 0,7% des BIP
- Ukrainekrieg: notwendige Waffenlieferungen zum Schutz seiner offiziellen Grenzen; Aufhebung Auslandsschulden; UN-Blauhelme zum Schutz der Kernkraftwerke; Rückkehr zum Frieden; Damit erteilt die neue Volksfront der zunehmenden Militarisierung und Aufrüstung an diesem Punkt keine klare Absage
- Krieg Gaza: sofortiger Waffenstillstand; Respekt verschaffen für die Aufforderung des Internationalen Gerichtshofs, der die Gefahr eines Genozids sieht; Freilassung der Geiseln der Hamas und Befreiung der palästinensischen politischen Gefangenen; Unterstützung des Internationalen Gerichtshofs zu seinen Maßnahmen gegen die Führer der Hamas und der israelischen Regierung; unverzügliche Anerkennung eines unabhängigen palästinensischen Staates; Embargo für Waffenlieferungen an Israel; Sanktionen gegen die rechtsextreme israelische Netanyahu-Regierung, insoweit sie nicht das internationale Recht im Gazastreifen und Westjordanland respektiert; Suspendierung des Assozierungsabkommens EU-Israel, insoweit die Menschenrechte nicht eingehalten werden; Organisierung freier Wahlen in Palästina unter internationaler Kontrolle
Vorschläge für die Tage danach bis zu den ersten 100 Tagen:
- Großes Gesetz zur Verbesserung der sozialen Situation:
- Indexierung Löhne an Inflation [besteht bereits in Belgien und Luxemburg, gab es mal in Italien]
- Deckelung Bankgebühren, Kostenfreiheit bestimmter Anzahl von Kilowattstunden Strom, Beendigung von Sperren von Strom, Heizung und Gas
- Gesundheit
- Ärzt*innen in ländliche Gebiete; Permanenz Ärzt*innen in Gesundheitszentren
- Mehrjähriger Plan, um Personal zu rekrutieren, Aufwertung der Gesundheitsberufe und ihrer Entlohnung
- Medikamente: Schaffung eines öffentlichen Medikamentenzentrums und Verbesserung der Verfügung über Reserven
- Bildung
- Kleinere Klassengrößen als der europäische Durchschnitt von 19 Schüler*innen
- Öffentliche Zuschüsse an Schulen abhängig von Respektierung der sozialen Mischung
- Nationaler Erziehungsdienst [deckt Schulen und Vorschulen in ganz Frankreich ab, einer der größten Arbeitgeber der Welt]: Aufwertung der Entgelttabellen; Investitionen in Schulbauten, Verstärkung Schul-Gesundheitsdienste, garantierte Personalbemessung pro Schule, Schaffung eines öffentlichen Dienstes zur Begleitung behinderter Schüler*innen
- Kampf gegen alle Formen des Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie: u.a. Verstärkung der Justiz; Einführung eines Kommissariats für Gleichheit mit einer Beobachtungsstelle, spezialisierte Zentren innerhalb des öffentlichen Dienstes und der Justiz; Einführung eines Plans für die Bekämpfung der Diskriminierung bei der Personaleinstellung, Gesundheitsdienste und Wohnen inkl. Verschärfung der Sanktionen
- Steuergesetz ab dem 04.08.2024, um Vorteile für Milliardäre zu beenden: Erhöhung der Progression; Wiedereinführung der Vermögensteuer mit einem Klimaaufschlag; Beendigung der Flat Tax [derzeit gedeckelt auf 30% für Investitionsobjekte]; Beendigung von Steuernischen; Erbschaftsteuer: stärkere Progression, ausgerichtet auf höchste Vermögen, Deckelung von Erbschaften; Einführung einer Importsteuer anhand der zurückgelegten Kilometer der Produkte ("taxe kilométrique")
Vorschläge für die Zeit danach:
- Öffentliche Dienste: Aufstockung des Personals im Gesundheitswesen, öffentliche Schulen, Justiz, staatliche Dienste, Aufwertung der Berufe und der Entlohnung
- Garantie des Zugangs zu öffentlichen Diensten: Investitionsplan; niemand soll mehr als 30 Minuten von einer Einrichtung des öffentlichen Dienstes leben
- Schaffung von 500.000 Plätzen in Kinderkrippen und Kitas oder andere Lösungen zur Aufsicht ("solution de garde")
- Organisierung von Generalständen um Gleichheit zwischen Stadt und Land zu erreichen, insbesondere in Bezug auf die öffentlichen Dienste
- Altenpflege: Auflegung eines großen Plans, Renovierung der Altenpflegeeinrichtungen, Einstellung und Ausbildung von Fachkräften
- Recht auf Wohnen: Bau von 200.000 Wohnungen pro Jahr für fünf Jahre mit den höchsten ökologischen Normen; Verbot der Räumung wegen nicht gezahlter Mieten, wenn keine Alternativwohnung vorgeschlagen wurde; Mietendeckel in Zonen mit hohen Mietpreisen
- Rente: Rückkehr zur Rente mit 60 Jahren; Indexierung der Rente nach dem Anstieg der Löhne [keine Aussage über Brutto- oder Nettoentwicklung]; Finanzierung: Besteuerung von u.a. Dividenden, Aktienrückkäufen, Überstunden; stärkere Besteuerung hoher Löhne
- Einführung eines Initiativrechts der Bürger*innen, Verringerung der Hürden
- Wirtschafts- und Industriepolitik: u.a. Begrenzung der Unterauftragsvergabe u.a. mit Quoten; Förderung von Unternehmen gebunden an die Einhaltung von Umwelt- und Sozialkriterien und gegen Diskriminierung; mindestens Drittelparität bei Unternehmens-Mitbestimmung (diese jedoch nicht in Aufsichtsräten, sondern in den Vorständen; die Unternehmensführung in Frankreich ist anders strukturiert als in Deutschland); Bankenregulierung, um neue Finanzkrisen zu vermeiden (Erhöhung Reserven für Klimarisiken, Stopp Finanzierung fossile Energiewirtschaft; Besteuerung von Finanztransaktionen); Schaffung besserer Möglichkeiten für Beschäftigte Unternehmen in Form von Kooperativen zu übernehmen; Schaffung eines Bankenpols, um regulierte Ersparnisse zu sozialen und ökologischen Zwecken zu verwenden
- Rechte der Beschäftigten: Organisierung einer nationalen Konferenz zu Arbeit und Prekarität; Rückkehr zur tatsächlichen 35-Stunden-Woche [Überstunden werden derzeit nicht besteuert]; Übergang zur 32-Stunden-Woche für anstrengende Arbeit oder Nachtarbeit, Ausdehnung auf andere Sektoren über Tarifverträge; die Forderung von NUPES nach einer 6. bezahlten Urlaubswoche wird nicht mehr erwähnt, zumal viele Beschäftigte sich einen Urlaub gar nicht mehr leisten können
- Plan für null Tote bei Arbeitsunfällen; Wiedererrichtung der betrieblichen Ausschüsse für Arbeitssicherheit [wurden unter Macron abgeschafft]; Einstellung von Arbeitsinspektor*innen und Arbeitsmediziner*innen; Erweiterung der Liste der Berufskrankheiten unter Einbeziehung des burn-out
- Öffentlicher Verkehr:
- Günstige Ticketpreise, freie Tickets für Junge, prekär Beschäftigte etc.; Senkung der Mehrwertsteuer für ÖPNV-Dienste auf 5,5 Prozent [dies ist der gesenkte Satz in Frankreich]
- Schienenverkehr: Plan Schienengüterverkehr; regionale Expressdienste; Moratorium Stilllegung kleiner Linien und Wiedereröffnung so früh wie möglich; Rücknahme der Privatisierung von Fret SNCF [Schienengüterverkehr der nationalen Eisenbahngesellschaft]
- Wasserwirtschaft: Ziel 100 Prozent öffentliches Eigentum; kostenlose Mindestmenge; Preisprogression mit erhöhtem Verbrauch; verschiedene Preise je nach Nutzung
- Allerdings keine Erwähnung mehr als 2022 in Bezug auf die Nationalisierung von Autobahnen, strategischen Flughäfen, der großen Energieunternehmen EDF und Engie und großer Banken und des großen Pharmakonzerns Sanofi
- Kunst, Kultur, Medien: Budget 1% des BIP; nachhaltige Finanzierung öffentlicher audiovisueller Medien; Limitierung der Konzentration; Förderung der Unabhängigkeit von Redaktionen gegenüber. ihren Eigentümer*innen; freier Eintritt zu allen nationalen Museen; Preisdeckel für öffentliche Einrichtungen und Zugang zu privaten Einrichtungen; Verbesserung der Bedingungen für die Saisonkräfte [insbesondere wichtig bei Kultur- und Theaterfestivals]
- Migrationspolitik: Abschaffung der Asyl- und Migrationsgesetze unter Macron; Schaffung einer Agentur für die Rettung von Flüchtlingen auf dem Meer und auf dem Land im Vorgriff einer europäischen Einrichtung; soziale Begleitung und Arbeitserlaubnis für Asylbewerber*innen; Erleichterung des Zugangs für Visa, Regularisierung des Aufenthaltsstatuts für Beschäftigte, Studierende, Schulkinder, Aufenthaltskarte für zehn Jahre; Schaffung eines Statuts für Klimaflüchtlinge; Schaffung legaler und sicherer Wege für Immigration; Reform des europäischen Asylpakts im Sinne eines würdigen Empfangs; Garantie des Zugangs zu medizinischen Diensten
- Unter anderem Verteidigung und Ausbau der Rechte der Gewerkschaften und freien Organisationen
- Europa/EU
- Die generelle Nichtbefolgung der europäischen Verträge wird auf Druck der Sozialisten und Grünen nicht erwähnt; stattdessen soll der europäische Stabilitätspakt und das europäische Wettbewerbsrecht dann verweigert werden, wenn die öffentlichen Dienste damit gefährdet werden
- Verweigerung des EU-Stabilitätspakts [der französische Wirtschaftsminister polemisiert bereits, dass dies den Austritt Frankreichs aus der EU bedeuten würde]
- Vorschlag für einen europäischen Pakt für das Klima und soziale Dringlichkeiten
- Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik
- Beendigung der internationalen Handelsverträge der EU
- Installierung eines ökologischen und sozialen Protektionismus der EU
- Etablierung eines Mechanismus der sozialen Harmonisierung nach oben zwischen den EU-Staaten, um das Sozial- und Fiskal-Dumping zu beenden
- Reindustrialisierung Europas: Digitalwirtschaft, pharmazeutische Industrie, Energie, etc.
- Bevorzugung grüner Investitionen
- Besteuerung der Reichsten auf europäischer Ebene, um die Einnahmen der EU zu verbessern
- Generalisierung der Übergewinnbesteuerung auf europäischer Ebene
- Änderung des europäischen Wettbewerbsrechts, um öffentliche Monopole auf nationaler Ebene zu ermöglichen [bisher nur möglich auf kommunaler Ebene; Frankreich hat mehr nationale öffentliche Dienste – wie Energie – als Deutschland]
- Einführung von Mehrheitsentscheidungen im Rat in der EU bei Fiskalfragen
Gegen das Programm der neuen Volksfront wird in den bürgerlichen Medien bereits stark polemisiert. Insbesondere wird behauptet, dass dieses Programm nicht finanzierbar sei und die Staatskassen ruinieren würde. Die neue Volksfront verweist in Bezug auf diese Kritik auf die Stärkung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage durch die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns und der Löhne sowie auf die höhere Besteuerung der Reichen. Die von der Arbeitgeberseite und den bürgerlichen Medien angestoßene Diskussion über die Seriosität der Haushaltsführung hat aber bereits Spuren hinterlassen, indem nun auf Nationalisierungen in den Bereichen Energie, Verkehr und Pharmaindustrie von Seiten der neuen Volksfront verzichtet werden soll. Trotzdem stellt sie eine echte Alternative gegenüber den Rechtsradikalen und bürgerlichen Kräften dar und wäre auch in Bezug auf die in Deutschland durchgeführte Politik eine echte Alternative. Die Mehrzahl der Gewerkschaften in Frankreich sind derzeit gemeinsam sehr aktiv, um eine solche Alternative zu ermöglichen und eine rechtsradikale Regierung zu verhindern.
Artikel wurde am 22. Dez. 2024 gedruckt. Die aktuelle Version gibt es unter https://betriebundgewerkschaft.de/blog/2024/06/frankreich-vor-einer-schicksalswahl/.