Finanzierungspaket zwischen Union und SPD: Sie rüsten komplett auf!

Union und SPD haben in den Sondierungen eine erste Einigung verkündet. Die zukünftigen Koalitionäre wollen Milliardenkredite für Verteidigung und Infrastruktur auf den Weg bringen. Ein Holzweg, der soziale Spaltungen vertiefen und die Militarisierung weiter vorantreiben dürfte.

Finanzierungspaket zwischen Union und SPD: Sie rüsten komplett auf!
Foto von charlesdeluvio / Unsplash

Kernbestandteil der Einigung ist eine Finanzierungsgrundlage, die das Festhalten an der milliardenschweren Aufrüstung gestattet. Dazu sollen alle Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes von der Beschränkung der Schuldenbremse ausgenommen werden. Damit wird angestrebt, was in der Ampel zum Zankapfel wurde: Die Lockerung der Schuldenbremse, aber nur für Investitionen in die Rüstung. "Angesichts der Bedrohungen unserer Freiheit und des Friedens auf unserem Kontinent muss jetzt auch für unsere Verteidigung gelten: whatever it takes", rechtfertigte CDU-Fraktionschef Friedrich Merz den Fokus auf eine massive Aufrüstung.

Gleichzeitig machte Merz deutlich, dass dazu die Wirtschaft binnen kürzester Zeit wieder auf einen stabilen Wachstumskurs zurückkommen müsse. Um diesen Prozess zu unterstützen, müsse die Infrastruktur verbessert werden, weshalb sich Union und SPD auf ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro für Infrastrukturausgaben für die Dauer der nächsten zehn Jahre verständigten. Seit dem Zeitenwende-Sondervermögen für die Bundeswehr wissen wir: Ein Sondervermögen ist ein Berg voller Sonderschulden - ein Schuldentopf abseits des Bundeshaushaltes, aus dem Investitionen getätigt werden sollen. Seine Verankerung im Grundgesetz erlaubt, was die rigide Schuldenbremse verbietet.

Worauf SPD und Union also nun so stolz sind, ist nichts anderes als das Umgehen der eigenen rigiden Sparpolitik bei gleichzeitigem Festhalten an derselben.

Beide Beschlüsse sollen noch vom alten Bundestag gefasst werden. Eine Abstimmung, die interessant werden dürfte, denn SPD und Union fehlt in dieser Konstellation die für Grundgesetzänderungen erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit. Sie sind also auf die Stimmen von FDP und Grünen angewiesen. SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil versucht bereits, die Einigung seiner eigenen Partei schmackhaft zu machen: "Unser Land fährt auf Verschleiß". Deshalb sei es wichtig, dass massiv investiert werde, damit Deutschland wieder besser funktioniere. Deshalb wolle die SPD darauf drängen, dass Familien entlastet werden, Renten stabilisiert und das Steuersystem gerecht gestaltet werde.

Die Worte von Klingbeil sind wohlfeil und das Papier nicht wert, auf das sie womöglich gedruckt werden. Denn solange die Regierung an der Zeitenwende und damit am Primat des Militärischen festhält, sind Investitionen in Aufrüstung und in Infrastruktur nicht voneinander zu trennen. Dazu reicht ein Blick auf die industriepolitischen Initiativen der Scholz-Regierung und die Diskussion darüber, dass kräftige Investitionen in die Rüstungsindustrie die schwächelnden Wirtschaft ankurbeln sollen.

Die Auseinandersetzung mit einer Regierung unter Friedrich Merz wird also nicht sein, ob sie industriepolitische Impulse aussendet, sondern welche das sein werden. Aktuell stehen die Zeichen auf der Expansion der heimischen Rüstungsindustrie. Mit der Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie hatte die Scholz-Regierung bereits einer staatlichen Rüstungs-Planwirtschaft den Weg geebnet. Skizziert werden darin industriepolitische Leitplanken, um die deutschen Rüstungskonzerne bei der Umstellung auf Kriegsproduktion zu unterstützen. Dazu sollen die erforderlichen politischen, wirtschaftlichen, regulatorischen, aber auch gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf nationaler und europäischer Ebene geschaffen werden. Die Rüstungsindustrie ist begeistert. Schon seit längerem trommelt nicht nur Rheinmetall-Chef Armin Pappberger dafür, 250 bis 300 Milliarden Euro auf den Weg zu bringen, damit die Rüstungsbranche ausreichend Planungssicherheit habe.

Problematisch ist eine solche industriepolitische Ausrichtung aber schon allein deshalb, weil es dabei nicht nur um die Expansion der Rüstungsindustrie geht, während alles andere bleibt wie es ist. Vielmehr wird eine Unterordnung aller anderen Bereiche unter das Primat der Rüstungsproduktion eingeleitet. Damit läuft die Industriepolitik der Scholz-Regierung, die von Merz vermutlich so fortgeführt wird, auf eine Rekonversion hinaus. Diese zielt darauf ab, zivile Produktion auf militärische Produktion umzustellen. Eine solche industriepolitische Schwerpunktsetzung ebnet allerdings den Weg in eine industrielle Monostruktur: eine dominierende Rüstungsindustrie, die von tatsächlichem Kriegsgeschehen abhängig wird. Denn Profite lassen sich nur generieren, wenn Handgranaten, Kampfpanzer und Maschinengewehre nicht ungenutzt in Depots vor sich hinschlummern, sondern eingesetzt werden und für kontinuierliche Nachfrage sorgen. Dies gilt um so mehr, da bei der Förderung der Rüstungsindustrie noch nicht einmal zwischen Angriffswaffen (wie Panzern) und Verteidigungswaffen (wie Panzerabwehrsystemen) unterschieden wird. Stattdessen gilt: Produziert wird, was Profite verspricht.

Doch wer genau hinsieht, stellt fest: Umfang und Tempo des Hochfahrens von Rüstungskapazitäten ebenso wie eine auf zehn Jahre und länger angelegte Beschaffungspolitik haben den Charakter konkreter Kriegsvorbereitungen. Manufakturbetriebe wandeln sich zu Großserienherstellern. Allein Rheinmetall hat seine Granatenkapazität seit Beginn des Ukraine-Krieges verzehnfacht. Für den Erhalt des Planeten aber ist es nicht egal, ob grüner Stahl in Bussen, Bahnen und Schienen verbaut wird und eine Verkehrswende ermöglicht, oder in Kampfpanzern, die anschließend als ausgebrannter Stahlschrott auf Schlachtfeldern herumstehen. Die notwendige Debatte über den ökologischen Industrieumbau darf daher die Frage, was produziert wird, nicht von der nach dem gesellschaftlichen Nutzen trennen. Dabei muss klar sein: Rekonversion ist das Gegenteil von nachhaltiger Industriepolitik.

Und solange am Prinzip der Zeitenwende festgehalten wird, werden auch die Investitionen in die Infrastruktur dem Prinzip des Militärischen untergeordnet. Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen werden nicht in Schuldächer, Wohnungsbau und Verkehrswende fließen, sondern in den Brückenbau, in Militärlazarette und den Katastrophenschutz. Bei einem Sondervermögen von 500 Milliarden Euro werden zudem die Belastungen für die breite Bevölkerung zunehmen, denn die Schulden müssen irgendwann wieder abgetragen werden. Und eine Regierung, die sich jetzt weigert, hohe Vermögen zu besteuern und sich stattdessen lieber mit durchsichtigen Grundgesetzänderungen selbst austrickst, wird auch zur Schuldentilgung nicht auf die hohen Vermögen zurückgreifen, sondern den Sozialstaat dazu heranziehen und den Menschen mit geringen Einkommen hohe Belastungen aufbürden.

Artikelgesetz Zeitenwende: Ein Gespräch mit Dietmar Bartsch
Rüstungswerbung in Stadien, Arbeitslose in die Bundeswehr und Vorbereitungen zu Grundrechteeinschränkungen im Konfliktfall: Schreitet die Militarisierung unserer Gesellschaft voran? Darüber haben wir mit Dietmar Bartsch gesprochen, dem Sprecher für Verteidigungspolitik von Die Linke im Bundestag.

Die Einigung von Union und SPD in einer so wichtigen Frage zeigt schon jetzt, wohin die Reise unter einem Bundeskanzler Friedrich Merz gehen wird. Die Linke im Bundestag sollte sich beiden Abstimmungen mit ganzer Kraft entgegenstellen und mit ihrem Abstimmungsverhalten der Friedensbewegung, den Gewerkschaften, der Klimabewegung und all jenen, die in den nächsten Jahren unter dieser Politik zu leiden haben, eine Stimme geben.