Die Gewerkschaften waren in der Nachkriegszeit ein wichtiger Teil der Friedensbewegung. Sie lehnten die Wiederbewaffnung ab und mahnen seit 1952 am 1. September vor der wachsenden Kriegsgefahr. Aus gutem Grund, schreibt Ulrike Eifler, denn historisch haben Kriege die Arbeits- und Alltagssituation von abhängig Beschäftigten stets dramatisch verschlechtert.
von Ulrike Eifler
Der 1. September ist der Antikriegstag. Das Datum geht zurück auf den Überfall der Deutschen Wehrmacht auf Polen. Es war der Beginn des Zweiten Weltkrieges, der in nur sechs Jahren mehr als 70 Millionen Menschenleben forderte. In der Nachkriegszeit wurde der Tag auch für die Arbeiterbewegung zu einem wichtigen Datum, um an die Schrecken des Ersten und Zweiten Weltkrieges zu erinnern. Aus gutem Grund, denn historisch haben Kriege die Lebenslage der abhängig Beschäftigten stets dramatisch verschlechtert.
Erster Weltkrieg
Bereits im Ersten Weltkrieg fand eine gesellschaftliche Mobilmachung statt, die die wirtschaftliche Produktion in erster Linie an den Erfordernissen der Kriegsführung ausrichtete. Zugunsten der boomenden Rüstungsindustrie wurde die Produktion von Versorgungsgütern zurückgefahren. Die Versorgungslage der Bevölkerung verschlechterte sich. Zuerst wurden Brot, Fett, Fleisch und Milch knapp, später kamen Arzneimittel, Heizmaterial und Kleidung hinzu. Je länger der Krieg dauerte, desto mehr stieg der Bedarf an Soldaten, aber auch an Arbeitskräften in den Rüstungsbetrieben. Im Dezember 1916 führt die Regierung die Arbeitspflicht für alle Männer im Alter zwischen 17 und 60 Jahren ein, die zuvor für kriegstauglich befunden worden waren. Wer in sogenannten kriegswichtigen Betrieben beschäftigt war, erhielt zudem keine Erlaubnis zum Arbeitsplatzwechsel. Um den Anforderungen der Rüstungsindustrie gerecht zu werden, wurde die tägliche Arbeitszeit verlängert und der Maschinentakt erhöht. Als der Krieg nicht mehr nur über Steuererhöhungen und Kriegskredite finanziert werden konnte, warf die Reichsbank die Notenpresse an. Die Folge: Inflation und steigende Preisen reduzierten die Einkommen der Arbeiterhaushalte zusätzlich.
Zweiter Weltkrieg
Auch im Zweiten Weltkrieg war es den Lohnabhängigen nicht möglich, ihre Interessen durchzusetzen. Mit der Machtübernahme Hitlers wurde der Konflikt zwischen Kapital und Arbeit kanalisiert, indem die großen Klassenorganisationen zerschlagen wurden. Dadurch geriet die Klasse der abhängig Beschäftigten in einen erzwungenen Zustand politischer Handlungsunfähigkeit – mit dramatischen Folgen für die Arbeitsbedingungen. So wurde das Tarifvertragssystem abgeschafft. Arbeitsbedingungen waren nicht länger Gegenstand eines Aushandlungsprozesses zwischen Kapital und Arbeit. Sie wurden vielmehr als Tarifordnung autoritär festgelegt und einseitig verkündet. Der in der Novemberrevolution erkämpfte Acht-Stunden-Tag wurde mit Kriegsbeginn durch die Suspendierung der Arbeitsschutzgesetze außer Kraft gesetzt. Für die Kriegszeit wurde für Männer eine Arbeitszeit von bis zu zehn Stunden täglich zugelassen. Bis 1941 stieg die durchschnittliche Arbeitszeit in der Industrie auf 50 Stunden pro Woche. In Rüstungsbetrieben lag sie weit höher. Ein Recht auf Streik gab es faktisch ebensowenig wie die Koalitionsfreiheit.
Nachkriegszeit
Aus gutem Grund also wurden die Gewerkschaften in der Nachkriegszeit zu einem tragenden Teil der Friedensbewegung. Sie lehnten die Wiederbewaffnung ab und mahnten am 1. September vor der wachsenden Kriegsgefahr. Dieser Prozess war nicht immer widerspruchsfrei, und trotzdem ist für den DGB und seine Gewerkschaften klar: Jeder Euro, der in Rüstungshaushalte und Kriegseinsätze gesteckt wird, fehlt für Bildung, öffentliche Daseinsvorsorge und soziale Absicherung. Eine konsequente Antikriegspolitik steht deshalb in der Tradition der Arbeiterbewegung. Sie muss auch der LINKEN Verpflichtung sein.
Ulrike Eifler ist Bundessprecherin der BAG Betrieb & Gewerkschaft
Dieser Artikel ist aus unserer Zeitung: Es geht um alles (September 2021)