Azubi-Interview: Die Prüfungsinhalte wurden nicht angepasst

06. April 2021  BLOG

Welche Auswirkung hat die Pandemie auf die Berufsausbildung? Wie läuft in Zeiten von Lockdowns die betriebliche Ausbildung und sind die Berufsschulen auf digitales Lernen vorbereitet? Unsere Bundessprecherin Ulrike Eifler hat sich mit dem angehenden Gesellen Clemens Jost darüber unterhalten, wie sein Azubi-Alltag seit einem Jahr aussieht.

BAG Betrieb & Gewerkschaft: Hallo Clemens, was lernst du und in welchen Ausbildungsjahr bist du?

Clemens Jost: Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizung- und Klimatechnik im dritten Ausbildungsjahr (von 3,5 Jahren).

Wie haben sich Homeoffice und Lockdown auf deine Ausbildung ausgewirkt?

Die Ausbildung im Betrieb fand ganz normal statt. Allerdings hatten wir im ersten Lockdown gar keine Berufsschule und haben monatelang ganz normal gearbeitet. Es wurde nicht probiert, die Lerninhalte nachzuholen. Es wurden im Nachhinein sogar noch Schultage gekürzt: Statt alle zwei Wochen ein Block à drei Tage nun alle drei Wochen ein Block à vier Tage. Für den zweiten Lockdown hat die Schule sich auf Homeschooling vorbereitet und wir wurden von den Betrieben freigestellt. Allerdings wurden fast keine neuen Lerninhalte unterrichtet, es fanden nur wenige Videokonferenzen statt und nicht alle Lehrer haben sich beteiligt. Meistens fanden sich in dem Programm nur Aufgaben, die selbständig von uns bearbeitet und anschließend abgegeben werden mussten.

Das bedeutet, dass die Ausbildungsinhalte unter diesen Bedingungen nicht gut vermittelt werden und es Einschränkungen gibt?

Die überbetrieblichen Lehrgänge (ÜBL) fanden nur teilweise, verkürzt und mit deutlich weniger Teilnehmern statt. Der erste Teil unserer Gesellenprüfung fand mit etwa einem Jahr Verspätung statt und bei einigen war die ÜBL, in der die Prüfungsinhalte trainiert werden, schon Monate her. Ich hatte die Möglichkeit, Fähigkeiten wie Löten, die bei den meisten im Berufsalltag nicht mehr vorkommen, privat nochmal zu üben. Aber es hatten nicht alle das Glück, entweder privat oder im Betrieb üben zu können. Uns wurde auch kommuniziert, dass die Prüfungsinhalte nicht angepasst werden.

Fühlst du dich auf deinen späteren Beruf gut vorbereitet?

Ich fühle mich nicht gut vorbereitet. Schon vor der Pandemie war gerade die Ausbildung in der Berufsschule mehr als nur unzureichend. Wir kamen im Lernstoff nur sehr langsam voran und es hätte unter Normalbedingungen schon nicht gereicht, um angemessen auf einen so komplexen Beruf vorbereitet zu werden. Die Bedingungen dafür waren aber auch denkbar schlecht in einem baufälligen Gebäude mit Klassen von 30 Schülern zwischen 16 und 40 Jahren die einen vollkommen unterschiedlichen Bildungsstand mitbringen. Da kann keine Zeit für individuelle Betreuung bleiben, aber es scheiterte häufig schon daran, dass Lehrer viel zu spät kamen oder im Klassenraum einfach keine Ruhe herstellen konnten. Jetzt sind durch den monatelangen Unterrichtsausfall und das absolut mangelhafte Homeschooling weitere Lücken entstanden. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als den Stoff in unserer Freizeit selbst zu erarbeiten und zu lernen. Abwarten müssen wir, wie viele der vorgesehenen ÜBLs bis zur Gesellenprüfung noch durchgeführt werden.

Hast du eine Aussicht auf eine Übernahme nach der Ausbildung?

Denke schon, dass ich eine Aussicht auf Übernahme habe, habe allerdings noch nicht darüber gesprochen. Aber das Handwerk wurde zum Glück durch die Krise nicht wirklich getroffen und es suchen viele Betriebe händeringend Gesellen.

Vielen Dank für das Gespräch, Kollege!

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Siehe hierzu auch:

Betriebliche Berufsausbildung in der Corona-Pandemie schützen – Positionspapier der Fraktion DIE LINKE im Bundestag

Auf einen Blick

  1. Ausbildung auch in Corona-Pandemie fortsetzen. Die Betriebe müssen ihre Ausbildungspflicht erfüllen. Sollten sie dabei Schwierigkeiten haben, sind sie von staatlicher Seite aus zu unterstützen. 
  2. Kurzarbeit für Azubis nur in Ausnahmefällen. Der Vergütungsanspruch für 6 Wochen bleibt bestehen.
  3. Prüfungen müssen abgelegt werden können und in den betrieblichen Hygieneplänen berücksichtigt werden.
  4. Mitbestimmung in Bezug auf Azubis anerkennen und stärken.
  5. Ausbildungsboni für Unternehmen gewähren, die Auszubildende aus Insolvenzbetrieben übernehmen.
  6. Ausbildung langfristig sichern. Die Umlage ist dafür das richtige System.