Nur wenige Tage vor dem Parteitag in Halle laufen sich die Kandidatinnen und Kandidaten für die Vorstandswahl warm. Einer von ihnen ist Theo Glauch. Er lebt in München, kommt aus einer Gewerkschafterfamilie und engagiert sich stark in der Mieterkampagne. Unsere Bundessprecherin Ulrike Eifler sprach mit ihm über seine Beweggründe zu kandidieren, seine Vorstellungen, es besser zu machen und warum er gern liest, aktuell aber zu selten dazu kommt.
BAG Betrieb & Gewerkschaft: Theo, du kandidierst für den Parteivorstand, was hat dich zu der Kandidatur bewogen?
Theo Glauch: Ich erlebe jeden Tag, dass eine starke linke Stimme in Deutschland dringend gebraucht wird. In meiner Arbeit hier vor Ort in München haben wir immer wieder zeigen können: Die Linke macht einen Unterschied. Was in Bayern möglich ist, muss bundesweit doch auch gehen. Dazu möchte ich meinen Beitrag leisten. Nicht zuletzt waren es politische Weggefährten, die mich in diesem Schritt bestärkt haben. Das schätze ich sehr.
Bitte nenne uns drei Gründe, weshalb dir die Delegierten ihre Stimme geben sollten.
Ich möchte eine andere politische Praxis aufzeigen. Es braucht eine Fokussierung, einen konkreten Gebrauchswert und Glaubwürdigkeit. Fokussierung bedeutet für mich, dass wir die großen sozialen Fragen als Ausgangspunkt unserer Arbeit nehmen. Einen Gebrauchswert haben wir, wenn wir dabei wirklich politischen Druck aufbauen, indem wir die gemeinsamen Klasseninteressen auch wirklich organisieren. Glaubwürdigkeit heißt, dass wir Politik anders machen als die anderen Parteien. Nicht für persönliche Karrieren, sondern für eine bessere Welt. Das ist die politische Praxis, die auch eine Perspektive für eine größere sozial-ökologische Transformation ermöglicht.
Aus dem Landesverband Bayern bist du schon seit längerem nicht mehr wegzudenken. Du bist dort sogar im Landesvorstand. Wie stellst du dir die Vertretung deines Landesverbandes im Parteivorstand vor?
Der Landesverband Bayern ist ja ein grundsätzlich rebellischer. Das liegt vielleicht am bayerischen Naturell, vielleicht aber auch daran, dass man als Linker in Bayern nicht viel zu verlieren hat. Wir haben vor kurzem einen Leitantrag beschlossen, der die Themen gute Arbeit und bezahlbare Mieten in den Fokus rückt. Diese Themen werde ich auch im Parteivorstand stark machen.
Nun ist Die Linke ja in einer ziemlich tiefen Krise. Worin siehst du die Ursachen für die Krise?
Viele Menschen wissen nicht, wofür die Linke eigentlich steht, geschweige, dass sie ihr reale Veränderung zutrauen. Das ist eine gefährliche Mischung. Ohne inhaltliche Alleinstellungsmerkmale und Funktion im Parteiensystem wird man unsichtbar. Früher waren wir auch deswegen stark, weil wir in Teilen eine Protestpartei waren. Die Zeiten sind vorbei. Deswegen halte ich eine neue politische Praxis für die Zukunft der Partei für so wichtig. Inhaltlich glaube ich hingegen nicht, dass unsere Kernforderungen überholt sind. Wir müssen sie nur wieder sichtbar machen.
Einige Genossinnen und Genossen haben die Partei verlassen, oder sich frustriert zurückgezogen, weil sie nicht mehr an ihren Erfolg glauben. Was genau stimmt dich optimistisch?
Ich halte einen Parteiaustritt nicht für die richtige Lösung, auch wenn ich die Frustration verstehen kann. Es gibt eine riesige Lücke im politischen Spektrum für eine Partei, die sich nicht dem neoliberalen Mainstream hingibt und dann Geflüchtete zu Sündenböcken für das eigene Scheitern macht. Viele Menschen spüren das. Wir erleben in Deutschland eine grundsätzliche Neuorientierung der Parteiensystems. Das zeigt nicht zuletzt der Bruch großer Teile der Grünen Jugend mit der Mutterpartei. In ihrem Austrittsschreiben wird dort ganz konkret mit fehlender Klassenpolitik argumentiert. Es kommt langsam wieder Wind in die politische Linke in Deutschland.
Und wo siehst du die Stellschrauben, an denen der neue Parteivorstand drehen müsste?
Wir brauchen uns nichts vormachen. Solange wir öffentlich totgesagt werden, ist es schwer, politischen Druck aufzubauen. Das müssen wir ganz dringend ändern. Dafür muss der Parteivorstand es schaffen, die Kräfte der Partei hinter wenigen klaren Forderungen zu versammeln und diese in die Öffentlichkeit zu tragen. Nur so haben wir eine Chance den Diskurs wirklich zu verschieben und endlich wieder über die Frage der Umverteilung zu sprechen.
Einer deiner Schwerpunkte ist die Mietenpolitik. Wie kam es dazu?
Wer in München zur Miete lebt, kommt um das Thema nicht herum. Ich erlebe seit Jahren am eigenen Leib, wie die Mieten steigen. Ich kenne fast niemanden in meinem Umfeld, der nicht Angst hat, irgendwann eine neue Wohnung suchen zu müssen. Aber auch politisch wird das Thema immer wieder an uns herangetragen. Immer wieder sind es Menschen mit kleinen Renten oder Einkommen, die durch Luxussanierungen und Mietsteigerung vertrieben werden. Die Verwertungslogik ist brutal. Mich macht das vor allem kämpferisch.
Und wie genau arbeitest du zu dem Thema? Gibt es konkrete Ansätze und Erfolge?
Leider ist der Organisationsgrad der Mieterinnen und Mieter noch viel schlechter als in den Betrieben. Kollektive Kämpfe sind selten, dabei lässt sich dadurch viel bewegen. Das muss ich aber Gewerkschaftern ja nicht erklären. Wir nutzen unsere Verankerung vor Ort deswegen dafür, frühzeitig die Menschen zu organisieren, wenn wir von Problemen hören. Erfolge dieser Arbeit gibt es einige. Die größten sind aber sicherlich, dass wir einen Häuserblock mit über 100 Mietparteien vor einem Luxemburger Investor retten konnten und zuletzt für 400 Haushalte knapp eine halbe Millionen Heizkosten von der Vonovia zurück erkämpft haben. Das geht natürlich immer nur zusammen mit den Betroffenen. Diese Erfolge zeigen auch, dass man nicht machtlos ist, auch wenn der Gegner übermächtig scheint. Für viele Menschen ist das eine unglaubliche und auch eine politisierende Erfahrung.
Eine wichtige Auseinandersetzung im Parteidiskurs spielt gegenwärtig die Friedensfrage. Wie wichtig ist aus deiner Sicht die Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der Zeitenwende für Die Linke?
Es gibt ein Bild von mir als Kind mit einem Banner “Frieden schaffen ohne Waffen” auf einer Demonstration. Es ist Wahnsinn zu erleben, wie der Diskurs mittlerweile in Richtung Kriegstauglichkeit gekippt ist. Wir müssen uns wieder darauf besinnen, dass Waffen keinen Frieden schaffen. Ganz davon abgesehen fehlt das Geld, mit dem wir die Rüstungsindustrie füttern, in allen anderen Bereichen. Man muss sich das klar machen: Das 2-Prozent-Ziel der Nato sind fast 20% vom Bundeshaushalt! Dazu kommt ein Sondervermögen von 100 Milliarden. Gleichzeitig geht die Infrastruktur in Deutschland vor die Hunde und wir debattieren darüber, wie wir den Klimaschutz finanzieren sollen. Die Linke muss hier eine laute Stimme für zivile Konfliktlösungen und einen vernünftigen Umgang mit gesellschaftlichen Ressourcen sein!
Du bist Physiker und arbeitest an der Universität. Wie schaust du auf das Bayrische Bundeswehrförderungsgesetz, das Schulen und Hochschulen zur Zusammenarbeit mit der Bundeswehr verpflichtet. Wie schaust du auf dieses Gesetz und hat sich dadurch schon etwas an der Arbeit an einer Hochschule verändert?
Ich arbeite in der Umwelt- und Atmosphärenphysik. Deswegen bin ich – zum Glück – nicht direkt betroffen. Nichts desto trotz ist das Bundeswehrförderungsgesetz ein inakzeptabler Eingriff in die Freiheit von Forschung und Lehre. Deswegen unterstütze ich auch die Popularklage der GEW gegen das Gesetz. Vertreten werden sie dabei übrigens von unserer ehemaligen Landessprecherin Adelheid Rupp.
Als BAG Betrieb & Gewerkschaft interessiert uns natürlich vor allem, ob du Gewerkschaftsmitglied bist?
Ich komme aus einer Gewerkschafterfamilie. Das gehört also dazu. Als Beschäftigter im öffentlichen Dienst bin ich Mitglied bei verdi.
Und die letzte obligatorische private Frage eines jeden Interviews bei der BAG Betrieb & Gewerkschaft: Welches Buch hast du als letztes gelesen und worum ging es darin?
Ich habe zwei kleine Kinder zuhause und komme deswegen im Moment viel zu selten zum Lesen. Zuletzt habe ich aber eine Biografie über Emmy Noether gelesen. Eine große Physikerin, der aber wegen ihres Geschlechts in Deutschland sowohl eine ordentliche Vergütung als auch Respekt für ihre Arbeit verwehrt wurde. Außerdem war sie Mitglied der USPD.
Vielen Dank für das Interview, Theo, ich wünsche dir für die Kandidatur viel Erfolg.
Das Bewerbungsschreiben von Theo findet ihr hier: Kandidatur Theo Glauch