Von Jan Richter
Besser mit Tarifvertrag! Weiß auch die EU und schreibt in der Mindestlohn-Richtlinie vor, dass jeder Mitgliedstaat mit einer Tarifbindung unter 80% konkrete Maßnahmen zur schrittweisen Erhöhung der tarifvertraglichen Abdeckung zu erstellen hat. Und weil die Bundesregierung nicht in die Pötte kommt, prescht die DIE LINKE im Bundestag am Donnerstag vor und legt einen Aktionsplan zur Stärkung der Tarifbindung vor. Ab 13:00 Uhr, in die Debatte geht für uns Pascal Meiser.
Tarifverträge sorgen nachweislich für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne: In Betrieben, in denen ein Tarifvertrag gilt, haben die Beschäftigten aber nicht nur mehr Geld in der Tasche oder kürzere Arbeitszeiten. Es gibt mehr Urlaubstage, Zuschläge für Arbeitszeiten abends, in der Nacht oder am Wochenende und nicht selten Sondervergütungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld. Insbesondere Flächentarifverträge haben eine stabilisierende Wirkung. Sie verhindern Schmutzkonkurrenz und garantieren für alle Betriebe einer Branche die gleichen Wettbewerbsbedingungen. So dominieren Einfallsreichtum und Qualität den Wettbewerb und nicht Lohndumping.
Die Ursachen für schlechte Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt sind komplex, ein wichtiger Aspekt ist aber die abnehmende Organisationsmacht der Gewerkschaften. Das ist nicht über Nacht passiert. Die Deregulierung des Arbeitsmsarktes durch die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze hat maßgeblich dazu beigetragen. Leiharbeit, Befristungen, Minijobs, Niedriglöhne oder Hartz IV wurden Anfang des neuen Jahrtausend politisch Tür und Tor geöffnet. Das hat die Kampfkraft der Gewerkschaften geschwächt. So konnten sie der systematischen Tarifflucht der Arbeitgeber zu wenig entgegensetzen.
Und die Tarifbindung ist im freien Fall: In nahezu jedem Bundesland und nahezu jedem Wirtschaftszweig (mit Ausnahme des Öffentlichen Dienstes), sowie für jede Betriebsgrößenklasse. Zuletzt arbeiteten 2021 nur noch 54 Prozent der Beschäftigten im Westen und 45 Prozent der Beschäftigten im Osten in einem Betrieb, für den ein Tarifvertrag galt. Die Tarifbindung war zuvor allein seit 1998 um 22 (West) bzw. 18 (Ost) Prozentpunkte zurückgegangen.
Eine Umkehr dieses Trends und eine Erhöhung der Tarifbindung ist für DIE LINKE von zentraler Bedeutung. Denn eine flächendeckende Tarifbindung ist der beste Garant für Gute Arbeit. Dafür muss aber auch der Gesetzgeber den politischen Ordnungsrahmen setzen. Selbstverständlich ist es Aufgabe der Gewerkschaften, für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne zu kämpfen. Zur Wahrheit gehört jedoch, dass Politik mit Gesetzen den Rahmen dafür schafft, dass diese Kämpfe leichter oder schwerer ausfallen. Deshalb ist es unerlässlich, dass sich DIE LINKE in den Parlamenten auf allen Ebenen für eine Trendwende einsetzt, damit Gesetzgebungsverfahren den Sinkflug der Tarifbinung umkehren, die Organisationsmacht der Gewerkschaften gestärkt und Tarifflucht erschwert wird.
Rückenwind kommt dazu jetzt aus dem Europäischen Parlament. Denn die neue Europäische Mindestlohn-Richtlinie (RL (EU) 2022/2041) schreibt vor, dass „jeder Mitgliedsstaat, in dem die tarifvertragliche Abdeckung unterhalb einer Schwelle von 80 Prozent liegt“, einen Aktionsplan zu erstellen hat. Dieser soll „einen klaren Zeitplan und konkrete Maßnahmen zur schrittweisen Erhöhung der tarifvertraglichen Abdeckung“ enthalten.
Dazu erklärt Pascal Meiser, gewerkschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag:
Immer mehr Unternehmen entziehen sich der Tarifbindung und verschaffen sich so schmutzige Wettbewerbsvorteile gegenüber denjenigen Konkurrenten, die nach Tarif zahlen. Die Bundesregierung darf dieser Entwicklung nicht länger tatenlos zusehen. Es braucht jetzt endlich ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Stärkung der Tarifbindung. Wer es ernst damit meint, muss nicht nur für tariftreue Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen sorgen, sondern muss zum Beispiel auch die Erleichterung von Allgemeinverbindlicherklärungen, die Erstreckung aller allgemeinverbindlichen Tarifverträge auf aus dem Ausland nach Deutschland entsandte Beschäftigte und das Verbot so genannter OT-Mitgliedschaften in Arbeitgeberverbänden angehen. Nur so lässt sich auch die neue europäische Vorgabe einer Tarifbindung von mindestens 80 Prozent erreichen.
Notwendig sind deshalb für Deutschland schnelle und konsequente Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels, sagt Meiser. Neben der überfälligen Zurückdrängung prekärer Beschäftigung, mit der die Durchsetzungskraft der Gewerkschaften in der Vergangenheit deutlich geschwächt wurde, sind dabei auch umfassende gesetzliche Maßnahmen zur direkten Förderung und Stärkung der Tarifbindung unerlässlich. Welche Maßnahmen Pascal Meiser damit meint, hat die Fraktion DIE LINKE nun in einem Forderungskatalog in einem Antrag zusammengefasst, der am 25. Mai im Deutschen Bundestag debattiert wird.
Darin fordert DIE LINKE die Bundesregierung auf, einen umfassenden Aktionsplan zur Stärkung der Tarifbindung vorzulegen, der mindestens folgende Punkte umfasst:
- Die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen ist zu erleichtern, indem die Blockademöglichkeiten der Arbeitgeberseite gestrichen werden, sodass auch Beschäftigte aus nicht-tarifgebundenen Unternehmen leichter Zugang zu den in der jeweiligen Branche geltenden Flächentarifverträgen bekommen.
- Öffentliche Aufträge sind an die Zahlung der ortsüblich maßgeblichen Tariflöhne durch den Auftragnehmer und mögliche Nachunternehmer zu koppeln, sodass Lohndumping-Wettbewerb um öffentliche Aufträge ausgeschlossen wird. Auch die Wirtschaftsförderung des Bundes ist an die Zahlung von Tariflöhnen durch die geförderten Unternehmen zu binden.
- Mitgliedschaften ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaften) in Arbeitgeberverbänden sind zu untersagen und die Tariffähigkeit aller Arbeitgeberverbände grundsätzlich gesetzlich festzuschreiben. Alle Arbeitgeberverbände werden so in die Pflicht genommen, ihrer Verantwortung als Tarifpartner wieder vollumfänglich und für alle ihre Mitglieder nachzukommen.
- Die Nachbindung und Nachwirkung von Tarifverträgen ist insbesondere bei Unternehmensumwandlungen und Betriebsübergängen zu stärken. Die Tarifflucht und das Abstreifen von Tarifverträgen durch Umstrukturierungen werden so deutlich erschwert.
- Das Arbeitnehmerentsendegesetz ist dahingehend zu ändern, dass auch regional für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge auf Arbeitsverhältnisse zwischen einem Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und seinen im räumlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern angewandt werden müssen. Zugleich sind ganze Lohntabellen durch Rechtsverordnung auf alle im Geltungsbereich eines Tarifvertrages Beschäftigten zu erstrecken, sodass aus dem Ausland temporär nach Deutschland entsandte Beschäftigte bei der Entlohnung nicht mehr benachteiligt werden und Lohndumping auf diesem Wege leichter unterbunden werden kann.
Ist der Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht, wird er im Anschluss an die Debatte am 25. Mai in den fachlich zuständigen Ausschuss – den Ausschuss für Arbeit und Soziales – überwiesen. In diesem Ausschuss befassen sich dann die Fachleute aller im Bundestag vertretenen Fraktion mit dem Antrag und es wird im Rahmen der Behandlung auch eine öffentliche Anhörung zu diesem Thema geben. Wir werden den Verlauf der parlamentarischen Behandlung hier auf unserer Seite weiter dokumentieren.
Hier findet ihr den Antrag der Fraktion DIE LINKE im Bundestag:
Aktionsplan zur Stärkung der Tarifbindung – Für gute Arbeitsbedingungen und höhere Löhne
Jan Richter ist Bundessprecher der BAG Betrieb & Gewerkschaft und im Parteivorstand
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