von Ulrike Eifler
DIE LINKE sucht nach gewerkschaftlicher Orientierung. Dokumentiert ist ein politischer Streit über die Frage, wie eine „linke Gewerkschaftspolitik auf der Höhe der Zeit“ aussehen könnte. Ein Dissens besteht in der Frage, in welchem Verhältnis die beiden gewerkschaftspolitischen Kernbereiche – Aufbau von Organisationsmacht einerseits und gewerkschaftliche Strategiebildung andererseits – stehen sollen. Unsere Bundessprecherin Ulrike Eifler fasst die Debatte in der Januarausgabe der Zeitschrift Sozialismus zusammen und argumentiert, dass DIE LINKE ohne einen Blick auf gewerkschaftliche Strategiebildung Gefahr läuft, gewerkschaftliche Handlungsfähigkeit zu schwächen.
Die Partei DIE LINKE sucht nach gewerkschaftlicher Orientierung. Mehrere schriftliche Beiträge, aber auch verschiedene Diskussionsformate dokumentierten in den letzten Monaten einen politischen Streit über die Frage, wie eine „linke Gewerkschaftspolitik auf der Höhe der Zeit“ aussehen könnte. In der Debatte schälen sich unterschiedliche Vorstellungen argumentativ heraus. Der Dissens besteht vor allem in der Frage, in welchem Verhältnis die beiden gewerkschaftspolitischen Kernbereiche – Aufbau von Organisationsmacht einerseits und gewerkschaftliche Strategiebildung andererseits – stehen sollen. Dabei wird deutlich: Der Partei fehlt ein Blick auf die Gewerkschaftsbewegung in ihrer Gesamtheit ebenso wie eine Analyse der Herausforderungen, vor denen die Gewerkschaften angesichts der aktuellen Krisenentwicklungen stehen. Ohne eine solche Analyse aber gibt die Partei die Aufgabe aus der Hand, die Repolitisierung der gewerkschaftlichen Debatte zu unterstützen. Mehr noch: Sie läuft Gefahr, auf dem Weg sektiererischer Abkürzungen gewerkschaftliche Handlungsfähigkeit zu schwächen.
Herausforderung Transformation
Die Gewerkschaften stehen angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Krisensituation vor komplexen Herausforderungen. Eine dieser Herausforderung ist der Verlust politischer Bündnispartner in einer Zeit großer Umbrüche. So droht die traditionelle politische Arbeitsteilung zwischen Gewerkschaften und Sozialdemokratie unter den Bedingungen der Ampel vollständig zu erodieren und in ihr Gegenteil umzuschlagen. Der aktuelle Haushaltsstreit dokumentiert, dass die Weigerung, hohe Vermögen an der Finanzierung der Energiewende zu beteiligen, Investitionen in den ökologischen Industrieumbau blockiert und Gerechtigkeitsfragen neu aufruft. Auch Fragen von Energiesicherheit, die sich angesichts aktueller geopolitischer Verschiebungen neu stellen, werden von der Bundesregierung überwiegend außenpolitisch beantwortet, nicht aber in eine industriepolitische Strategie eingebunden. Faktoren, die den schleichenden Deindustrialisierungsprozess aufhalten und die Transformation industrieller Fertigung stärken könnten, wie Energiesicherheit, Fachkräfteentwicklung, Investitionslenkung, der Aufbau grüner Leitmärkte oder eine funktionierende Infrastruktur, werden unter Finanzierungsvorbehalt gestellt oder gar nicht erst in Erwägung gezogen.
In der gewerkschaftlichen Debatte wird der Transformationsbegriff häufig sehr eng gefasst. Denn neben der Dekarbonisierung industrieller Fertigungsprozesse sind auch die Digitalisierung, die demographische Entwicklung, die Veränderung globaler Lieferketten und nicht zuletzt die mangelnde Investitionsbereitschaft der öffentlichen Hand Treiber für die Umbrüche in der Arbeitswelt. Das Infrastrukturdefizit wird in der mangelhaften Ausstattung öffentlicher Krankenhäuser, Betreuungseinrichtungen und Schulen sichtbar. Es macht den Nah- und Fernverkehr unzuverlässig, verändert die Arbeitsbedingungen in der Pflege. Die mangelnde Investitionsbereitschaft der Kommunen hat aber auch Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen in der Industrie, wie das Beispiel des bayrischen Tiefbauproduzenten Düker zeigt. Während hier früher die Zuverlässigkeit kommunaler Investitionen dabei half, Flauten der privaten Bauwirtschaft zu überstehen, schlägt die Baukrise mit dem Rückgang öffentlicher Aufträge heute voll durch. Die Folge sind Schließungen oder harte Einschnitte bei den Arbeitsbedingungen auch im Bereich der Industrie. Spiegelbildlich ist auch die Energiepreisexplosion nicht allein eine Belastung für die energieintensive Industrie, sondern auch für Krankenhäuser, Erziehungseinrichtungen und öffentliche Verwaltungen eine finanzielle Herausforderung. Verschiedene Entwicklungen greifen ineinander. Die Umbrüche in der Arbeitswelt beschränken sich nicht auf die ökologisch prekären Industrien. Sie verändern vielmehr die Bedingungen bis in den letzten Winkel unseres Arbeitslebens.
Herausforderung Ampel
Obwohl die Ampel an Rückhalt unter abhängig Beschäftigten verliert, war die gewerkschaftliche Kritik am Regierungskurs angesichts der Halbzeitbilanz zwar hörbar, aber verhalten. Ein Anfang sei gemacht, konstatierte DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi und würdigte die bisher umgesetzten Vereinbarungen der Koalition insbesondere in Bezug auf den anstehenden Industrieumbau. Lediglich DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell warnte mit Blick auf die Haushaltsverhandlungen, man dürfe jetzt nicht zu einem strikten Sparkurs zurückkehren. Es bestehe hoher Investitionsbedarf, wenn die Transformation gelingen soll.
Diese Erwartungshaltung an die Ampel spiegelte sich auch auf den Gewerkschaftstagen wider. Die IG Metall-Vorsitzende Christiane Benner machte Druck für einen Brückenstrompreis. Die Delegierten legten nach, indem sie die Stärkung der Renten und der Mitbestimmung ins Zentrum stellten. Auch die Diskussion über den Aufrüstungskurs der Bundesregierung, der große finanzielle Ressourcen bindet, die für die Bekämpfung sozialer Unwägbarkeiten oder für Investitionen in die sozial-ökologische Transformation benötigt würden, spielte eine bedeutende Rolle. Ebenso klar war die Kritik auf dem ver.di-Bundeskongress: Der Vorsitzende Frank Werneke nahm kein Blatt vor den Mund, als er die Haushaltspläne als Spardiktat kritisierte, das zu Lasten der Bereiche Soziales, Integration und Bildung ginge.
Klassenkompromiss der Ampel
Die gewerkschaftliche Kritik muss schärfer werden, denn der aktuelle Haushaltsstreit zeigt: Der in der Ampel eingeschlossene Klassenkompromiss bricht mit Zuspitzung der Krise auf und setzt die Arbeits- und Lebensbedingungen der Lohnabhängigen unter Druck. Das Regierungsbündnis aus SPD, Grünen und FDP versucht den wachsenden Konflikt zwischen den Klassen durch eine kontrollierte „Leuchtturmpolitik“ unter der Decke zu halten: Der Mindestlohn für die SPD-Anhänger. Der vorgezogene Kohleausstieg für die Grünen. Das Festhalten an der Schuldenbremse und der Verzicht auf Steuererhöhungen für die FDP-Anhänger. Letztere wird aktuell jedoch zur Archillesferse der Bundesregierung, denn zwei Kriege, eine explodierende Inflation, der Anstieg der Lebenshaltungskosten, die Frage nach der Versorgungssicherheit, die Energiekrise, erste Deindustrialisierungstendenzen und ein Allzeithoch der AfD haben eine Krisendynamik heraufbeschworen, die längst nicht mehr auf der Grundlage des „kleinsten gemeinsamen Nenners“ bearbeitet werden kann. Deshalb drängte vor allem die SPD auf einen „Doppel-Wums“ zur Entlastung.
Doch je mehr die Entlastungspolitik der Bundesregierung in Widerspruch zu den ursprünglich verabredeten Schwerpunktsetzungen gerät, desto mehr bricht der im Koalitionsvertrag verabredete Klassenkompromiss auf. Das gemeinsame außenpolitische Verständnis der drei Regierungsparteien fungierte eine zeitlang als Kitt. Doch mit jedem Tag, den der Krieg in der Ukraine dauert, werden die außenpolitischen Entscheidungen zum Treiber der Inflation und rücken der Streit um die Ausfinanzierung staatlicher Aufgaben in den Mittelpunkt des Regierungshandelns. Die Entwicklung zeigt: Die Verabredung über ein „klassenneutrales Regieren“ funktioniert nicht mehr. Eine dauerhafte Entlastung der Lohnabhängigen muss eine dauerhafte Verbesserung der Einnahmeseite nach sich ziehen. Diese funktioniert jedoch nur zu Lasten der Vermögenden.
Bundesregierung geht zu Klassenangriff über
Die Gewerkschaften werden durch diese Entwicklung vor allem tarifpolitisch vor neue Herausforderungen gestellt. Bei einem Anstieg der Lebensmittelpreise um 25 Prozent und einer Verdopplung der Energiekosten kommt Tarifpolitik schnell an ihre Grenzen – insbesondere weil die Einkommensverluste bis in das Corona-Jahr 2020 zurückreichten. Dennoch setzten vor allem die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes (ver.di, GEW, GdP und IG BAU) sowie die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) darauf, durch offensive Tarifforderungen eine lohnpolitische Wende einzuleiten. Getragen wurde diese Politik von einem neuen Selbstbewusstsein der Beschäftigten. So hatte es zu einer ungewöhnlich hohen Beteiligung an den Warnstreiks, zu neuen Streikformaten wie dem gemeinsamen „Mega-Streik“ von ver.di und EVG sowie zur Beteiligung am Globalen Klimastreik geführt. Mehr als 140.000 neue Mitglieder gewann ver.di mit dieser Politik.
Eine Selbstverständlichkeit war dieses Vorgehen nicht. Denn die Bundesregierung hatte die Gewerkschaften zur „Konzertierten Aktion“ aufgefordert, was als scharfer Angriff auf die Einkommen der abhängig Beschäftigten eingeordnet werden muss. Sie stellte für die Tarifrunden einen Betrag von 3.000 Euro steuer- und abgabenfrei in Aussicht und erwartete im Gegenzug Zurückhaltung in den anstehenden Tarifrunden sowie den Verzicht auf Streiks. Die hohe Erwartungshaltung unter den Beschäftigten führte allerdings dazu, dass die Gewerkschaften sich auf diese Verabredung nicht einließen. In allen Tarifrunden wurden die steuerfreien Einmalzahlungen bis 3.000 Euro UND tabellenwirksame Erhöhungen im zweistelligen Bereich durchgesetzt. Der Preis dafür waren jedoch lange Laufzeiten von in den meisten Fällen 24 Monaten. Der Vorstoß der Bundesregierung galt hier der Planungssicherheit der Unternehmen, nicht der der Beschäftigten.
Die Bewertung der Ampel darf also nicht nur die Haben- und die Sollliste kleinteilig gegeneinander aufrechnen. Ihre Politik ist nicht das Ergebnis von Versäumnissen und Zwängen. Sie steht vielmehr im Zusammenhang mit der globalen Dauerkrise des Kapitalismus, die sich aus verschiedenen Einzelkrisen zu einer multiplen Krise verdichtet. Krisenerscheinungen in einer Sphäre führen dazu, dass sich scheinbar gelöste Krisen in anderen Sphären wieder verschärfen. Ohne eine konfliktorientierte Klassenpolitik geraten die Interessen der Lohnabhängigenklasse unter die Räder.
Komplexe gesellschaftliche Krisensituation
Weitere komplexe Herausforderungen kommen angesichts der gesellschaftlichen Krisensituation hinzu: Dazu gehört zum einen die Krise des fossilen Wohlfahrtsstaates. Sie ist gekoppelt an die Frage, wie Umverteilung organisiert werden soll, wenn der Erhalt der Natur dem Wirtschaftswachstum Grenzen setzt. Dazu gehören auch die geopolitischen Verschiebungen, die eine globale Eskalationsspirale in Gang setzen und innenpolitisch die Auseinandersetzungen um den Erhalt des Sozialstaates anheizen. Dazu gehört die Tatsache, dass der Schutz des Klimas und der soziale und ökologische Umbau industrieller Fertigung nicht gelingen kann, solange Nachhaltigkeit als Investitionsziel betrachtet wird. Dazu gehört, dass sich verteilungs- und außenpolitische Fragen ineinander schieben. So führen die Spannungen im Nahen Osten und das Versäumnis der Bundesregierung, auf einen permanenten Waffenstillstand und Friedensverhandlungen hinzuwirken, zu einer neuen energiepolitischen Bedrohungslage. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Deutschland über das Rote Meer und den Suezkanal sein gesamtes Flüssiggas aus Katar sowie einen Großteil des Öls vom Arabischen Golf bezieht. Sollte aufgrund der neuerlichen Angriffsbereitschaft der Huthis der Transport über das Rote Meer zum Erliegen kommen, ist mit neuen Versorgungsengpässen und Preisexplosionen zu rechnen.
Zu den Herausforderungen gehört letztlich aber auch, dass das politische Vakuum derzeit von der AfD gefüllt wird. Wahlanalysen zeigen regelmäßig, dass diese Entwicklung auch vor Gewerkschaftsmitgliedern nicht Halt macht. Bis weit in die betriebliche Funktionärsstruktur hinein reicht mittlerweile der Einfluss der Partei, die erst vor einigen Jahren in Chemnitz den offenen Schulterschluss mit der extremen Rechten vollzogen hat. Betriebsräte, die eine hervorragende Betriebsratsarbeit machen, aber keinen Widerspruch darin sehen, in ihrer Freizeit zu AfD oder Pegida zu gehen, sind gewerkschaftsübergreifend keine Ausnahme mehr. Wenn sich das Denken der AfD jedoch in den Köpfen betrieblicher Funktionäre verfestigt, büßen die Gewerkschaften an Handlungsfähigkeit ein: Nicht nur, weil gewerkschaftlicher Zusammenhalt verloren gehen kann, wenn ein relevanter Teil der Belegschaft wegen seines Migrationshintergrundes ausgegrenzt wird, sondern auch weil betriebliche Transformationsprozesse nicht gestaltet werden können, wenn der Klimawandel geleugnet wird.
Repolitisierung der Gewerkschaften
Angesichts dieser Entwicklungen befinden sich die Gewerkschaften in anspruchsvollen strategischen Klärungsprozessen. Nur wer versteht, warum Dinge geschehen, ist in der Lage einzugreifen und positiv nach vorn aufzulösen. Mehr den je käme es jetzt also auf linke Impulse in der gewerkschaftlichen Strategiebildung an. Doch die Gewerkschaftslinke wirkt unorganisiert und wenig vernetzt. Auch DIE LINKE ist bislang an der Aufgabe gescheitert, die gesellschaftspolitische Positionsbestimmung der Gewerkschaftsbewegung in ihrer Gesamtheit zu diskutieren. Sie flüchtet sich stattdessen – flankiert durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung – in die Diskussion betrieblicher Organizing-Strategien. Überformt wird diese Ausrichtung zudem durch eine Diskussion, die den Schwerpunkt linker Gewerkschaftsorientierung auf die Zusammenarbeit mit der progressiven Gewerkschaftslinken beschränkt, was in der Tendenz eine sektiererische Ausrichtung in sich trägt und die subjektive Rolle, die DIE LINKE mit ihren haupt- und ehrenamtlichen Funktionären, mit ihren Betriebsräten, Vertrauensleuten und Bildungsreferenten für die Repolitisierung der Gewerkschaften spielen könnte, aus dem Blickfeld rückt.
Der Fokus auf eine Zusammenarbeit nur mit den „progressiven“ Teilen der Gewerkschaften kann in der Praxis zu organisationspolitischen Brüchen zwischen Mitgliedern mit und ohne Parteibuch führen und die Gewerkschaften schwächen. Aus gutem Grund gilt in der deutschen Gewerkschaftsbewegung das Prinzip der Einheitsgewerkschaft. Linke Gewerkschaftspolitik sollte dieses Prinzip nicht in Frage stellen, sondern der entschiedenste Verfechter dieses Prinzips sein.
Statt einer Differenzierung in progressive und weniger progressive Gewerkschafter bräuchte es politische Konflikte, die zur Repolitisierung der Gewerkschaften beitragen und dadurch ihre Handlungsfähigkeit stärken. Die friedenspolitische Gewerkschaftskonferenz, die von der IG Metall Hanau-Fulda in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung im Sommer 2023 organisiert wurde, war ein solcher Konflikt. Er hat die Auseinandersetzung mit der Politik der Bundesregierung gesucht hat, weil sich außenpolitische und tarifpolitische Fragen im Kontext des Krieges immer stärker ineinander verschieben. Das Parteibuch hat dabei keine Rolle gespielt.
Aufbau belastbarer Strukturen
Angesichts riesiger Herausforderungen der Gewerkschaften müssen DIE LINKE und die Rosa-Luxemburg-Stiftung die Rolle definieren, die sie im Kontext gewerkschaftlicher Strategiebildung spielen wollen. Dabei sollte die Frage diskutiert werden, was gewerkschaftliche Handlungsmacht stärkt und was sie schwächt. Was den Gewerkschaften aktuell fehle, schreibt Hans-Jürgen Urban, sind die Fähigkeit und die Bereitschaft, das weitverbreitete Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt und die Nachhaltigkeitswende des Gegenwartskapitalismus gar nicht nachhaltig ist, zu intellektualisieren und konsequent zu durchdenken. Diese Leerstelle von links zu füllen und in der Debatte den Blick für die Notwendigkeit von politischen Brüchen zu weiten, würde die Gewerkschaften bei der Bewältigung der aktuellen epochalen Herausforderungen stärken. Warum? Weil die Welt nicht bleiben kann wie sie ist, wenn sie überleben soll. Eine Wirtschaftsweise, die weiterhin ressourcenverschwendend wild in den Markt hineinproduziert, hält die Natur nicht aus. Es braucht gesellschaftliche Planung und Steuerung mit dem Ziel der Bedürfnisbefriedigung.
Aber eine solche Neuausrichtung in der Gewerkschaftsorientierung der Partei muss durch strukturelle Veränderungen abgestützt werden. Die gewerkschaftspolitische Schwerpunktsetzung in der LINKEN hat aktuell keinen Ort, an dem sie strategisch erwogen, erarbeitet und diskutiert wird. Sie findet nebenbei statt, fast zufällig und verbleibt deshalb häufig an der Oberfläche von Solidaritätsbekundungen für streikende Belegschaften. Es muss also ein Ort geschaffen werden, an dem genau diese Diskussion geführt werden kann. Der Gewerkschaftsrat ist dieser Ort nicht, denn er hat gegenüber der Partei vor allem eine Beratungsfunktion. Strategische Schwerpunktsetzungen müssen der Beratung im Gewerkschaftsrat vorgelagert werden. Sie müssen aus dem verknüpften Diskurs der verschiedenen „Gewerkschaftsabteilungen“ erarbeitet werden. Ebenso wie die Stiftung ein Referat für Gewerkschaftspolitik und die Bundestagsfraktion einen gewerkschaftspolitischen Sprecher hat, muss sich auch die Partei eine Abteilung Gewerkschaftspolitik einrichten, wenn ihre Gewerkschaftsorientierung nicht selbstreferenziell und zufällig bleiben soll. Dies würde die gemeinsame Analyse gewerkschaftspolitischer Herausforderungen institutionalisieren und das Eingreifen in Strategiediskussionen auch als parteistrategische Option in den Blick nehmen. Und es würde den Prozess der Strategiebildung in den Gewerkschaften ebenso stärken wie den in der Partei DIE LINKE.
Ulrike Eifler ist Bundessprecherin der BAG Betrieb & Gewerkschaft und arbeitet für die IG Metall
Der Beitrag stammt aus der Zeitschrift Sozialismus, wir spiegeln ihn auf unserer Seite.