Friedenskonferenz: In den Schützengräben liegen nicht die Kinder der Reichen (Anne Rieger)

13. Mai 2024  GEWERKSCHAFTSKONFERENZEN

Anne Rieger war Bevollmächtigte der IG Metall in Waiblingen. Sie hat sich ein ganzes Berufsleben lang für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen eingesetzt. Das schloss auch den Kampf für bessere Lebensbedingungen ein. Aus diesem Antrieb heraus engagierte sie sich immer auch gegen Krieg und Aufrüstung. Auf unserer Gewerkschaftskonferenz für den Frieden wird Anne über nukleare Bewaffnung und die inzwischen real gewordene Gefahr eines Atomkrieges referieren. Anne Rieger lebt inzwischen in Graz und ist aktives Mitglied der KPÖ. Wir haben im Vorfeld mit ihr über ihr friedenspolitisches Engagement gesprochen.

BAG Betrieb & Gewerkschaft: Anne, du bist Mitglied der IG Metall, warst viele Jahre Bevollmächtigte in Waiblingen. Warum ist Frieden ein Thema für dich als  Gewerkschafterin?

Anne Rieger: Ich will mit einem Zitat aus der „Wiener Zeitung“ antworten:  „In den Schützengrabenkrieg müssen zumeist nicht die Kinder der Reichen – und wenn, dann bilden sie die Offizierskader -, sondern in die Schützengräben müssen die sozial Schwachen, und das hieß bei uns vorwiegend: die Arbeiter- und Bauernbuben. Und selbst bei den zivilen Opfern, welche vorwiegend Frauen und Kinder einschließen, ist die soziale Verteilung eine schiefe.“ Ich habe mich in den Betrieben für die Rechte der Beschäftigten eingesetzt, für gute, menschenfreundliche Arbeitsbedingungen und gute tarifliche Bezahlung, damit es den Menschen besser geht, damit sie besser leben können. Da ist es doch eine Selbstverständlichkeit, sich auch dafür einzusetzen, dass Menschen nicht in Kriegen für die Interessen der Herrschenden umgebracht werden bzw. sich gegenseitig umbringen müssen.

Auf der Gewerkschaftskonferenz für den Frieden, die vom 14 bis 15. Juni in Stuttgart stattfinden wird, gehörst du zu den Referentinnen. Worum geht es in deinem Workshop?

Es geht um die Sorge vor dem Atomkrieg – und warum er eine reale Gefahr ist. Es geht darum, die Bedrohung bewusst zu machen, dass Atomwaffen in den gegenwärtigen Kriegen von den Kriegskabinetten gezündet werden könnten, dass sie bewusst, aber möglicherweise auch versehentlich gezündet werden könnten. Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Hinzu kommen weitere Fakten, über die wir Transparenz herstellen müssen: beispielsweise über die etwa 12.500 nuklearen Sprengköpfen auf der Welt, von denen  mehr als 9.500 einsatzbereit lagern oder über die 20 B61-Bomben bei und in Büchel. All das ist verbunden mit der sozialen, der Klima- und Umweltfrage, den Arbeitsplätzen und der Erhöhung der Preise, die Inflation genannt wird. Und natürlich wollen wir Alternativen diskutieren, was wir als friedensbewegte Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter dagegen tun können und müssen.

Was, denkst du, können wir über die Konferenz hinaus machen, um die Debatte in den Gewerkschaften weiterzuführen?

Zuallererst geht es darum, in allen gewerkschaftlichen – und wo möglich – auch betrieblichen Gremien die Frage zu diskutieren, warum 100 Milliarden Euro zusätzlich für die Aufrüstung, also für die Aktionäre der Rüstungsunternehmen, von unseren Steuergeldern zur Verfügung gestellt werden werden, aber kein oder zu wenig Geld in Kitas, Krankenhäuser, Pflegepersonal, Bildung oder bezahlbares Wohnen fließt. Besonders im Verdi- und GEW-Bereich lassen sich diese Fragen ja direkt gegenüberstellen, wenn wir beispielsweise an die letzte Tarifauseinandersetzung des öffentlichen Dienstes zurückdenken.

Und wie ist es in den industriellen Bereichen?

Auch hier muss die Frage gestellt werden, warum hochmotivierte, hervorragend qualifizierte Beschäftigte auf technisch anspruchsvollen Arbeitsplätzen nicht durch Rüstungskonversion ganz andere Aufgaben erhalten als in der rückwärtsgewandten Rüstungsindustrie. Die Kompetenz der Beschäftigten brauchen wir für die Entwicklung einer zukunftsfähigen modernen Gesellschaft. Produkte und Dienstleistungen für eine klimafreundliche, klimaneutrale Gesellschaft müssen entwickelt werden. Dass das die Aufgaben der Zukunft sind, müssen wir diskutieren und auch, dass es dafür Milliarden Steuergelder braucht.

Gibt es Beispiele, was das konkret heißt?

Die gibt es. Vor allem sollten wir als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter den Kontakt zu den Friedensaktivistinnen gehen und an ihren Aktionen teilnehmen. Wir können nicht warten, bis sie zu uns kommen, Die IG Metall Geschäftsstelle in Hanau hat in den beiden letzten Tarifrunden exemplarisch vorgemacht, dass das möglich ist. Und aktuell ist es dringend notwendig, den Aufruf „Gewerkschaften gegen Aufrüstung und Krieg! – Friedensfähigkeit statt Kriegstüchtigkeit!“ zu unterzeichnen und weiter zu verbreiten.

Herzlichen Dank für das Gespräch!


Waffen runter, Löhne rauf: 14./15. Juni im Gewerkschaftshaus Stuttgart

Die Konferenz leistet einen orientierenden Beitrag zur innergewerk-schaftlichen Diskussion und schafft Räume, um aus der Sicht der abhängig Beschäftigten über Frieden und Abrüstung zu diskutieren. So schärfen die Kolleginnen und Kollegen ihre Argumente und können sich selbstbewusst bei Debatten im Betrieb oder in der Gewerkschaft positionieren.

Das Programm kann sich sehen lassen. Die Anmeldung ist freigeschaltet. Alle Informationen findet ihr gebündelt hier: Gewerkschaftskonferenz für Frieden


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