Hürden bei der Anerkennung von Berufskrankheiten abbauen

24. April 2020  ARBEITSSCHUTZ, POSITIONSPAPIERE

Berufskrankheiten sind bestimmte Erkrankungen, die nachweislich auf berufliche Belastungen zurückzuführen sind. Typische Beispiele sind die Staublunge bei Bergleuten oder Asbesterkrankungen bei Werftarbeitern. Alle anerkannten Berufskrankheiten werden in der sogenannten Berufskrankheiten-Liste aufgeführt. Heute steht mit 80 Diagnosen nur ein Bruchteil der berufsbedingten Erkrankungen auf dieser Liste. Und steht eine Krankheit drauf, heißt das nicht, dass sie automatisch für alle Betroffenen anerkannt wird. 

Denn der Weg zur Anerkennung einer Berufskrankheit ist voller Hürden:

Die Kosten der gesetzlichen Unfallversicherung werden vollständig von den Arbeitgebern getragen. Sie entledigen sich dadurch der Haftung für Gesundheitsschädigungen bei der Arbeit. Geringe Anerkennungsquoten und Leistungen der Unfallversicherung sind im Interesse der Arbeitgeber, denn sie halten die Beiträge niedrig. Werden arbeitsbedingte Erkrankungen nicht durch die Unfallversicherung entschädigt, führt dies zu einer Umverteilung der Kosten auf die paritätisch finanzierte Kranken- und Rentenversicherung, sowie die Steuerzahler. So fällt ein wichtiger finanzieller Anreiz für die Arbeitgeber weg, für Prävention zu sorgen. Bestimmte arbeitsbedingte Erkrankungen sind bei den Berufskrankheiten völlig außen vor, insbesondere psychische Erkrankungen, die durch den Wandel der Arbeitswelt zunehmend auftreten.

Es war deshalb höchste Zeit, dass die Bundesregierung handelt und 2020 eine Reform des Berufskrankheitenrechts auf den Weg bringt. Positiv an der Reform ist insbesondere, dass ein Expositionskataster eingeführt wird. Allerdings sollte dieses nicht bei der Unfallversicherung, sondern an neutraler Stelle bei der BAuA eingerichtet werden. Auch dass der sogenannte Unterlassungszwang wegfällt, ist richtig, hätte aber durch eine Mitwirkungsunterstützung für Versicherten ergänzt werden müssen. Gut ist auch, dass der ärztliche Sachverständigenbeirat gesetzlich verankert wird, der über neue Berufskrankheiten entscheidet. Jedoch wurde versäumt, dem Wandel der Arbeitswelt Rechnung zu tragen und Sachverständige weiterer Fachrichtungen miteinzubeziehen. Insgesamt bleibt das Reformvorhaben halbherzig. Die Hürden bei der Anerkennung von Berufskrankheiten müssen deutlich abgesenkt werden.

Deshalb fordern die Fraktion DIE LINKE im Bundestag:

  1. Transparente und faire Verfahren schaffen. Mehr Transparenz bei den Strukturen und Verfahren der Unfallversicherungsträger ist dringend notwendig. Unabhängige Beratungsstellen speziell für Betroffene von Berufskrankheiten sind flächendeckend einzurichten. Ein objektives Gutachtenwesen ist eine zwingende Vorrausetzung für faire Verfahren.
  2. Möglichkeiten der Anerkennung erweitern. Eine Beweiserleichterung für Betroffene in Berufskrankheiten-Verfahren ist dringend notwendig. Eine Vermutungsregelung zugunsten der Versicherten ist einzuführen, um die Beweisführung in diesen Verfahren zu erleichtern. Für mehr Einzelfallgerechtigkeit braucht es eine Härtefallregelung.
  3. Berufskrankheiten-Liste an moderne Arbeitswelt anpassen. Diese muss schneller an die sich wandelnde Arbeitswelt angepasst werden, die lediglich einen Bruchteil der arbeitsbedingten Erkrankungen umfasst. Der Ärztliche Sachverständigenbeirat ist um Fachrichtungen jenseits der Arbeitsmedizin zu erweitern. Es gilt, die Unfallversicherung stärker an den Kosten psychischer Erkrankungen zu beteiligen.
  4. Prävention und Forschung stärken. Es braucht mehr unabhängige Forschung zu arbeitsbedingten Erkrankungen im Allgemeinen und zu Berufskrankheiten im Besonderen. Die betriebliche Prävention arbeitsbezogener Gesundheitsgefährdungen ist auszubauen und es bedarf wieder flächendeckender Arbeitsschutzkontrollen im Land. Die Wahl von Betriebs- und Personalräten muss erleichtert und diese besser geschützt werden. Ein flächendeckendes Monitoring arbeitsbedingter Erkrankungen ist überfällig. Es benötigt wieder flächendeckend Gewerbeärzte in allen Bundesländern.

Das vollständige Positionspapier des Arbeitskreises »Arbeit, Soziales und Gesundheit« findet ihr hier auf der Homepage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag. Verantwortliches MdB ist Jutta Krellmann aus der AG Arbeit. Den Antrag der Fraktion DIE LINKE „Hürden bei der Anerkennung von Berufskrankheiten abbauen“ findet ihr hier auf der Seite des Deutschen Bundestages. Dieser wurde am 07.05.2020 im Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP und AfD abgelehnt, gegen die Stimmen von Grüne und DIE LINKE.