In Betrieb und Parlament für gesunde Arbeit kämpfen

03. Februar 2021  ARBEITSSCHUTZ, BLOG

Bereits vor der Corona-Pandemie hinkte es beim betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz: Kaum ein Arbeitgeber führt eine umfassende Gefährdungsbeurteilung durch und der Staat kontrolliert die Betriebe kaum. Das rächt sich jetzt. Die Bundesregierung nimmt zwar endlich in der Pandemie die Arbeitswelt in den Blick, beschließt aber nur ein Placebo, meinen Hannes Strobel und René Kluge.

Von Hannes Strobl und René Kluge

Schon vor der Pandemie war die Situation beim betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz erschreckend. Die Arbeitgeber kommen ihren Verpflichtungen nicht nach: Nur knapp fünf Prozent führen eine umfassende Gefährdungsbeurteilung durch. Der Staat fällt als Kontrollorgan aus: Die Arbeitsschutzbehörden kontrollieren jeden Betrieb im Schnitt nur alle 25 Jahre.[1] Die Beschäftigten sind nur zu etwa 40 Prozent von Betriebsräten vertreten[2] und auch diese haben Schwierigkeiten beim Arbeits- und Gesundheitsschutz mitzubestimmen. Die Corona-Pandemie legt diese Lücken nun schonungslos offen. Selbst die Bundesregierung hat das eingesehen und den Blick endlich auf die Arbeitswelt gerichtet. Doch leider ist ihre Corona-Arbeitsschutzverordnung nicht mehr als ein Placebo.

Das Augenmerk liegt auf dem Homeoffice als effektivster Maßnahme gegen Corona-Infektionen am Arbeitsplatz. Das ist richtig. Aber viele Kolleginnen und Kollegen dürften sich nicht angesprochen fühlen. Denn ihnen ist völlig klar, dass sie auch weiter raus müssen, zu ihren Jobs in Gesundheit- und Pflegebereich, Lebensmittelproduktion und -handel, Lager und Logistik und viele Branchen mehr. Denn nur knapp die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland leistet Büroarbeit, die auch von Zuhause aus erledigt werden kann.[3] Gleichzeitig geben etwa 20 Prozent der Arbeitgeber an, keine speziellen Regelungen zum Arbeitsschutz in der Corona-Pandemie umgesetzt zu haben.[4] Das ist nicht hinnehmbar: Wir brauchen wirksame Schutzmaßnahmen in jedem Betrieb, denn alle Beschäftigten haben ein Recht auf einen sicheren Arbeitsplatz – nicht nur in der Corona-Pandemie.

Als Linke müssen wir die Auseinandersetzung um sichere, gesunde und menschengerechte Arbeit offensiv führen. Dazu gehört der Kampf im Parlament für eine bessere Gesetzes- und Verordnungslage: Wir fordern hier die weitgehende Umsetzung der guten Sars-Cov-2-Arbeitsschutzregel aus demAugust 2020 in eine für alle Betriebe verpflichtende Verordnung. Bei eklatanten Verstößen sind Arbeitgeber hart zu sanktionieren. Bund und Länder müssen ausreichend Ressourcen mobilisieren, um die Einhaltung der Regeln auch flächendeckend kontrollieren zu können. Dazu gehört aber auch der Kampf in den Betrieben: Die Beschäftigten müssen an allen Fragen des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes beteiligt werden. Dabei kann es um die Einführung von Homeoffice, das Tragen von Masken oder andere Maßnahmen gehen. Betriebs- und Personalräte sind das beste Mittel dazu. Bestehende Gremien müssen sich jetzt vor allem diesem Thema annehmen. In anderen Betrieben kann die Forderung von sicherer und gesunder Arbeit genutzt werden, um für die Gründung eines Betriebsrates zu mobilisieren. Wann wenn nicht jetzt? Die beste Antwort auf die Verwerfungen der Corona-Pandemie sind organisierte und kämpferische Belegschaften.

Hannes Strobel ist Arbeitssoziologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Büro von Jutta Krellmann, MdB DIE LINKE

René Kluge, leitet die Betriebsratsberatungsagentur Recht und Arbeit und ist ebenfalls wissenschaftlicher Mitarbeiter im Büro von Jutta Krellmann

 

Arbeitsschutz im Corona-Winter, ergänzende Argumentationshilfe von Jutta Krellmann, MdB DIE LINKE: Die Arbeit im Homeoffice gilt als sicherste Maßnahme im Kampf gegen Corona-Infektionen am Arbeitsplatz. Aber über die Hälfte der Beschäftigten muss weiter in den Betrieb. Viele von ihnen arbeiten unter unsicheren Bedingungen und die Corona-Pandemie legt Lücken beim Arbeitsschutz schonungslos offen. Die Bundesregierung kann nicht weitgehende Einschränkungen im privaten Bereich verordnen und gleichzeitig am Arbeitsplatz einfach alles laufen lassen. Was sofort passieren muss, findet ihr hier in der Argumentationshilfe. Darüber hinaus besteht dringender Handlungsbedarf. Hier findet ihr das Positionspapier unserer Bundestagsfraktion für einen aktiven und wirksamen Arbeits- und Gesundheitsschutz.


[1] Kleine Anfrage „Entwicklung der Arbeitsschutzkontrollen in Deutschland“ (BT-Drs. 19/17409) von Jutta Krellmann u.a. und der Fraktion DIE LINKE im Bundestag. https://www.linksfraktion.de/themen/nachrichten/detail/krise-bei-der-arbeitsschutzkontrolle/

[2] Kleine Anfrage „100 Jahre betriebliche Mitbestimmung“ (BT-Drs. 19/24630) von Jutta Krellmann u.a. und der Fraktion DIE LINKE im Bundestag. https://www.linksfraktion.de/nc/parlament/parlamentarische-initiativen/detail/100-jahre-betriebliche-mitbestimmung/

[3] Kleine Anfrage „Büroarbeit und körperliche Gesundheit“ (BT-Drs. 19/23247) von Jutta Krellmann u.a. und der Fraktion DIE LINKE im Bundestag. https://www.linksfraktion.de/nc/parlament/parlamentarische-initiativen/detail/100-jahre-betriebliche-mitbestimmung/

[4] Kleine Anfrage „Betrieblicher Infektionsschutz in der Corona-Pandemie“ (Drs. 19/25013) von Jutta Krellmann u.a., DIE LINKE im Bundestag. https://www.linksfraktion.de/themen/nachrichten/detail/corona-arbeitsschutz-keine-massnahmen-in-knapp-jedem-fuenften-betrieb/