Von Pascal Meiser
Im Februar 2019 machte eine Schwerpunktkontrolle des Hauptzollamts Köln noch einmal eindrucksvoll auf die miserablen Arbeitsbedingungen in der boomenden Paketbranche aufmerksam: Vor mehreren Verteilzentren nahm der Zoll Paketzusteller ins Visier. Dabei ergaben sich bei 540 überprüften Personen insgesamt 220 Hinweise auf Mindestlohnverstöße. Ver.di sprach in der Folge gar von zum Teil mafiösen Strukturen in der Branche und forderte, wie auch DIE LINKE, diese unhaltbaren Zustände endlich zu beenden. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kam angesichts dieses öffentlichen Drucks am Ende nicht länger an dem brenzligen Thema vorbei und versuchte, sich in der Folge publikumswirksam als Schutzpatron der Paketboten zu inszenieren.
Mit dem „Paketboten-Schutz-Gesetz“ beschloss der Bundestag im November vergangenen Jahres schließlich für die Paketbranche eine so genannte Nachunternehmerhaftung, wie sie auch in der Bau- und in der Fleischwirtschaft existiert. Die großen Paketdienstleister haften seitdem als Hauptauftraggeber für nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge ihrer Subunternehmen. Ein grundsätzlich richtiger Ansatz, denn die großen Paketdienstleister lagern die Zustellung von Paketen – in unterschiedlichem Umfang – gezielt an Subunternehmerketten aus, die sich teilweise über halb Europa erstrecken. So entledigen sich Paketkonzerne der Verpflichtung zur Einhaltung von arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen – wohlwissend, dass bei ihren Subunternehmern die Löhne rücksichtlos gedrückt werden.
Der an sich richtige Ansatz droht jedoch zahnlos zu bleiben, da das Gesetz Schlupflöcher so groß wie Scheunentore lässt. So wurde zum Beispiel darauf verzichtet festzuschreiben, dass die Arbeitszeiten am jeweiligen Arbeitstag verlässlich dokumentiert werden und jederzeit vor Ort einzusehen sind – obwohl selbst der Bundesrat dies in seiner Stellungnahme forderte. Ohne eine solche Dokumentationspflicht aber ist die Nachunternehmerhaftung in der Praxis kaum effektiv zu kontrollieren. Völlig unverständlich auch, dass das Gesetz bis 2025 befristet ist. Als ob sich die Probleme der Branche in fünf Jahren erledigt hätten.
Alles also nur ein billiger PR-Gag? Zumindest weckt auch dieses Gesetz Erwartungen, die es am Ende kaum halten wird. Als Fraktion DIE LINKE legten wir daher in einem eigenen Antrag dar, was tatsächlich notwendig wäre, um ernsthaft wieder Ordnung in die wildgewordene Paketbranche zu bekommen. Neben einer strikten Dokumentationspflicht bei der Arbeitszeit bleibt die konsequente Bekämpfung von Scheinselbstständigkeit unerlässlich. Denn gerade in der Paketbranche fürchten viele Experten nach Einführung der Nachunternehmerhaftung ein noch stärkeres Ausweichen auf scheinselbständige Beschäftigungsformen.
Zur Regulierung der Paketbranche gehört aber auch, dass nicht länger jeder einfach so ein Paketzustellunternehmen anmelden und dann Pakete ausliefern kann. Die Erlaubnis zur Auslieferung von Paketen muss, wie es bei der Briefpost bereits der Fall ist, endlich an das Vorliegen einer Lizenz gekoppelt werden, über die auch die Weitervergabe von Aufträgen an Subunternehmerketten begrenzt werden könnte. Und schließlich sollten wir auch nicht davor zurückschrecken, darüber zu diskutieren, wie wir die Postzustellung wieder vollständig in öffentlicher Regie betreiben können. Die in Kürze anstehende Überarbeitung des Postgesetzes ist eine hervorragende Gelegenheit für diese längst überfällige Debatte.
Pascal Meiser ist gewerkschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Bundestag