Von Ulrike Eifler
Die epochalen Umbrüche der Arbeitswelt auf der Basis von Dekarbonisierung, Digitalisierung und Globalisierung und die aktuelle gesellschaftliche Krisensituation werfen zwei zentrale Fragestellungen auf: Wer trifft die notwendigen Transformationsentscheidungen und wer zahlt dafür? Die Arbeitgeberseite hat ein Interesse daran, die Debatte über industrielle Umbauprozesse auf die Einführung neuer digitaler und klimaneutraler Technologien zu beschränken. Dieser rein technologiefixierte Fokus ermöglicht es nämlich, Finanzierungs- und Demokratisierungsfragen gezielt auszublenden.
Eine gerechte Gestaltung der Transformation erfordert jedoch grundlegende Anpassungen des Wirtschaftssystems an das Gemeinwohl. So werden Transformationsprozesse erst dann gerecht, wenn sie zu einer echten sozial-ökologischen Transformation werden. Das bedeutet, dass im Zuge der Transformation, klimaneutrale Produktion und Beschäftigungs- und Einkommenssicherheit gleichermaßen gewährleistet werden muss. Die Zeit, in der Verluste sozialisiert werden, Gewinne aber privatisiert bleiben, muss endlich ein Ende haben. Wenn staatliche finanzielle Unterstützung der Unternehmen nicht an eine Kontrolle ihrer Verwendung, an Tariftreue oder eine Stärkung der Mitbestimmung geknüpft wird, wird die Transformation nicht im Interesse der Beschäftigten gelingen.
Es muss ein Ende haben, dass Konzernentscheidungen ausschließlich dem Profitinteresse untergeordnet werden und Betriebsräte nur begrenzten Einfluss auf wirtschaftliche Entscheidungen haben. Die aktuellen Auseinandersetzungen um Standort- und Arbeitsplatzsicherung zeigen die Notwendigkeit einer Einflussnahme auf Investitionen in den Betrieben und Regionen. Betriebsräte sollten sich nicht erst dann in wirtschaftliche Konzernentscheidungen einmischen dürfen, wenn Betriebe schließen oder die Beschäftigten auf die Straße gesetzt werden, sondern schon vorher, damit es gar nicht erst so weit kommt.
Die Demokratisierung der Wirtschaft darf jedoch nicht auf die Stärkung der betrieblichen Mitbestimmung reduziert werden. Sie muss zugleich gesellschaftlich gestaltet werden. Der Ausbau der öffentlichen Infrastruktur ist ebenso Teil der aktuellen Transformation, wie die Frage, an welche Bestimmungen die Zahlung von staatlichen Subventionen geknüpft wird. Industriepolitischen Forderungen nach einem Transformationsfonds, Investitionslenkung oder staatlichen Leitmärkten zeigen: Demokratie und Transformation sind eng ineinander verzahnt. Insbesondere der Zustand der öffentlichen Daseinsvorsorge wie Pflege, Wohnen, Energie oder Beförderung machen deutlich: Wenn gesellschaftliche Bereiche dem Profitinteresse privater Unternehmen untergeordnet werden, dann geht das zu Lasten des Gemeinwohls.
Wenn der klimaneutrale Industrieumbau also zu einem sozial-ökologischen Transformationsprozess werden soll, dann muss er vor allem zu einem gesellschaftlichen Prozess werden. Wirtschaft muss sich am Gemeinwohl orientieren. Dazu muss der Vorrang betriebswirtschaftlicher Konzernentscheidungen vor Beschäftigungs- und Einkommenssicherheit ebenso ein Ende haben wie die Produktion auf der Basis der Übernutzung von Ressourcen.
Die Gewerkschaften müssen unter Einschluss von Demokratisierungsfragen eine Transformationsperspektive entwickeln, die über bloßes Krisenmanagement hinausgeht. Demokratie und Transformationsgestaltung dürfen nicht voneinander entkoppelt werden, wenn der klimaneutrale Industrieumbau im Interesse der Beschäftigten erfolgreich sein soll. Dazu müssen drei Handlungsebenen in den Blick genommen werden: die betriebliche, die regionale und die gesamtstaatliche Ebene. Die Frage nach einer höheren Besteuerung von Reichtum wird hier zur Grundvoraussetzung für staatliches und demokratisches Agieren in der Transformation.
Ulrike Eifler ist Bundessprecherin der BAG Betrieb & Gewerkschaft