Von Bernd Riexinger
Wir schlittern in die schwerste Wirtschaftskrise seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Das Konjunkturprogramm der Bundesregierung ist eine verpasste Chance. Auch weil sie nicht die richtigen Weichen stellt, müssen wir uns auf eine längere Krise einstellen. In den nächsten Monaten wird es darum gehen, ob Einkommen und Arbeitsplätze gesichert werden können. Es wird energische Gegenwehr brauchen, um zu verhindern, dass die Kosten der Krise auf die Beschäftigten und die Gesellschaft abgewälzt werden.
Angriffe auf Arbeitszeitgesetze, die Rente oder kommunale Haushalte werden höchstens bis nach der Bundestagswahl auf sich warten lassen. Bei der Tarifrunde im Öffentlichen Dienst muss sich ver.di schon früh auf scharfen Gegenwind einrichten. Wir sollten sie von vornherein als eine gesellschaftliche Richtungsauseinandersetzung verstehen und Streiks mit Aktivitäten sozialer Bündnisse unterstützen. Denn obwohl die sogenannten „systemrelevanten Berufsgruppen“ unsere Gesellschaft durch diese Krise bringen, gab es statt besserer Bezahlung für sie bisher nur Beifall, längere Arbeitszeiten und mehr Stress. Investitionen in den Bau bezahlbarer Wohnungen, in kostenfreie Ganztagsbetreuung und mehr Personal für Kitas und Schulen wären gerade jetzt in ihrem Interesse.
Einmal mehr wird zudem die prekäre Situation der Leiharbeiter in der Industrie, der Werkvertragler, Mini-Jobberinnen und Solo-Selbständigen in Tourismus, Gastronomie oder den Bereichen Kultur und Weiterbildung deutlich. Nur mit flächendeckenden Tarifverträgen und einer anderen Wirtschaftspolitik wird sich daran etwas ändern. Das deutsche Exportmodell ist ins Stottern geraten. Teile der Konzerne versuchen, technologische Transformationen auf dem Rücken der Beschäftigten durchzusetzen. Dagegen hilft nur Widerstand. Ohne eine aktive Industriepolitik, die einen ökologischen Umbau der Produktion mit Arbeitsplatz- und Beschäftigungsgarantien verbindet, drohen Entlassungen.
Geht es „der Wirtschaft“ schlecht, leiden zuerst diejenigen, die keine Rücklagen bilden können, um Krisen abzufedern. Geht es „der Wirtschaft“ gut, profitieren davon jedoch längst nicht alle. Blindes Wirtschaftswachstum wiederum geht auf Kosten des Klimas und der Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder.
Der Teufelskreis kann durchbrochen werden. Wir brauchen eine Alternative, die geeignet ist, eine Mehrheit der Menschen zu überzeugen, zu begeistern und neue Bündnisse auf den Weg zu bringen, die notwendig sind, um im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 gesellschaftlichen Druck aufzubauen. Der Kerngedanke unseres Vorschlages eines linken Green New Deal ist einfach erklärt: Keine Arbeiterin und kein Arbeiter darf gezwungen werden, sich zwischen einem gut bezahlten Arbeitsplatz und der Zukunft ihrer Kinder entscheiden zu müssen. Wir können das Klima nur retten, indem wir in sinnvolle Arbeit und soziale Sicherheit investieren und dabei den klimaneutralen Umbau von Wirtschaft und Infrastruktur voranbringen.
Notwendig ist ein Schulterschluss von Gewerkschaften, Sozialverbänden, Klimabewegung und anderen sozialen Bewegungen. Für höhere Löhne, gute Arbeit und soziale Absicherung. Millionen sinnvolle und klimaneutrale Arbeitsplätze können durch den Ausbau von Pflege, Bildung, Wohnungsbau geschaffen werden. Durch eine sozial-ökologische Energie- und Mobilitätswende und den ökologischen Umbau der Industrie. Unsere Gesellschaft ist reich genug, um solche massiven Investitionen zu stemmen. Mit einer gerechten Besteuerung der Multi-Millionäre und Unternehmensgewinne. In Zeiten von Rassismus und rechter Gewalt muss sich ein solches Bündnis für unteilbare Solidarität, für bessere und gleiche Arbeits- und Lebensbedingungen einsetzen.
In den letzten Wochen haben Politiker von CDU und SPD fleißig Beifall geklatscht für Pflegekräfte, aber nichts getan für gerechte Bezahlung und mehr Personal. Angesagt sind 500 Euro mehr im Monat, sofort! Als Einstieg in eine Aufwertung und gerechte Bezahlung in den Gesundheitsberufen insgesamt. Die Corona-Krise sollte für alle zu einem Weckruf werden. Mit Gesundheitsversorgung und Pflege darf kein Profit mehr gemacht werden! Die Fallpauschalen müssen abgeschafft werden, die Finanzierung von Krankenhäusern ist eine Frage des Gemeinwohls. Für höhere Löhne, mehr Personal und eine gerechte Finanzierung des Gesundheitssystems lassen sich gesellschaftliche Mehrheiten gewinnen. Im Herbst wollen wir im Rahmen der Kampagne der LINKEN gegen den Pflegenotstand erste Aktionen gemeinsam mit Bündnispartnern starten.
Bernd Riexinger ist Vorsitzender der Partei DIE LINKE
Dieser Artikel entstammt der aktuellen Ausgabe unserer Zeitung