Interview zum aktuellen Tarifkonflikt bei der Bahn

14. Februar 2024  TARIFRUNDEN

Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will?! Diese Stärke zeigte sich in den letzten Wochen im Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn AG. Vor allem Pendler bekamen die streikbedingten Einschränkungen im Nahverkehr über mehrere Tage zu spüren. Zum Verständnis des aktuellen Tarifkonflikts muss ein Blick auf die Besonderheit der Tarifbeziehungen bei der Deutschen Bahn geworfen werden: die Existenz zweier Gewerkschaften in einem Unternehmen, sagt der Arbeitssoziologe Prof. em. Dr. Berndt Keller. Unsere Bundessprecherin Ulrike Eifler sprach mit ihm über die Ursachen und die Folgen dieses verhärteten Konflikts.

BAG Betrieb & Gewerkschaft: Herr Keller, vor einigen Wochen blieben durch die Streiks der Lokführer ein Großteil der Züge stehen. Die GDL fordert für ihre Mitglieder eine angemessene Lohnerhöhung und einer Verkürzung der Arbeitszeit. Obwohl es auch in anderen Tarifforderungen um diese Themen ging, scheint der Konflikt bei der Deutschen Bahn AG besonders verhärtet. Warum ist das so?

Prof. em. Dr. Berndt Keller: Die Interessenvertretung bei der Deutschen Bahn AG ist geprägt durch die Existenz zweier Gewerkschaften, der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) einerseits und der Gewerkschaft der Deutschen Lokomotivführer (GDL) andererseits. Im Frühjahr 2023 streikte die EVG und erzielte schließlich in der Schlichtung ein aus ihrer Sicht akzeptables Ergebnis. Jetzt macht sich die GDL für die Interessen ihrer Mitglieder stark. Diese Dualität ist eigentlich ungewöhnlich für die Arbeitsbeziehungen in Deutschland, denn sie ist eine Abkehr vom jahrzehntelang in Deutschland üblichen Industrieverbandsprinzip – ein Betrieb, eine Gewerkschaft. Abgesehen von wenigen Branchen des Dienstleistungssektors dominiert dieses Prinzip die Arbeitsbeziehungen. Die Existenz zweier Gewerkschaften in einem Unternehmen ist also nach wie vor eine untypische Konstellation. Zum Verständnis der aktuellen Situation und einer Lösung des Tarifkonflikts ist sie jedoch von zentraler Bedeutung.

Was bedeutet diese Spaltung der Belegschaft für die gewerkschaftliche Durchsetzungsmacht?

Aus meiner Sicht handelt es sich um eine Konstellation, die zu mehr Verteilungskonflikten zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaft führt, aber eben auch zwischen den beiden Gewerkschaften. Die Bedeutung von Tarifpolitik hat seit der Privatisierung durch die Bahnreform 1994 deutlich zugenommen. Seitdem sind Lokführer Tarifbeschäftigte. Früher waren sie in der Regel Beamte, für die das Tarifrecht nicht galt. Der Kerngedanke einer Gewerkschaft und eines Tarifvertrages ist eigentlich die Ausschaltung der Konkurrenz zwischen den Beschäftigten. Die Existenz zweier Gewerkschaften in einem Unternehmen hebt diese Konkurrenz nicht auf, sondern kann sie verschärfen.

In der interessierten Öffentlichkeit herrscht der Eindruck vor, die GDL sei die kämpferischere Gewerkschaft. Stimmt das?

Die GDL ist eine Berufsgewerkschaft für Lokführer und damit die gewerkschaftliche Vertretung einer recht homogenen Gruppe. Berufsgewerkschaften sind im Gegensatz zu anderen konflikt- und durchsetzungsfähiger, weil sie über erhebliche Machtressourcen verfügen. Zum einen haben ihre Mitglieder Markt- und Primärmacht, da sie in Schlüsselpositionen von Produktionsprozessen tätig sind. Als Funktionseliten können sie zumindest kurz- und mittelfristig kaum vollständig ersetzt werden, wenn sie bei Streiks notwendige Güter und Dienstleistungen nicht erstellen. Zum anderen haben diese Gewerkschaften Organisations- bzw. Sekundärmacht, da ihre Mitgliederzahlen – bezogen auf ihre Berufsgruppe – zwar niedrig, ihre Organisationsgrade aber nicht nur stabil, sondern deutlich höher sind als der gesamtwirtschaftliche Organisationsgrad. Dieser beträgt aktuell weniger als 20 Prozent.

Wie hängt diese Entwicklung mit dem Tarifeinheitsgesetz (TEG) zusammen, das 2015 beschlossen wurde?

In den Arbeits- und Tarifbeziehungen galt jahrzehntelang uneingeschränkt das vom Bundesarbeitsgericht seit den 1950er Jahren als Teil des Richterrechts entwickelte Prinzip der Tarifeinheit. Es besagte: Ein Betrieb, ein Tarifvertrag, und korrespondierte mit dem bereits erwähnten Industrieverbandsprinzip: Ein Betrieb, eine Gewerkschaft. Beide Prinzipien haben die Rahmenbedingungen der Tarifpolitik in Deutschland jahrzehntelang geprägt. In den 2000er Jahren stellten einige Berufsgewerkschaften, darunter die GDL, diese Maxime in Frage und etablierten sich mit einer Reihe von Arbeitskämpfen als unabhängige Akteure der Tarifpolitik. Das Bundesarbeitsgericht revidierte daraufhin  sukzessive seine ständige Rechtssprechung und erkannte schließlich 2010 in einem Grundsatzurteil das Prinzip der Tarifpluralität explizit an.

Das war dann der Zeitpunkt, als die Wiederherstellung der Tarifeinheit auf die politische Ebene gezogen wurde, richtig?

Mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts wurde die institutionelle Macht der Berufsgewerkschaften gestärkt. Die Streiks hielten an und riefen den Gesetzgeber auf den Plan. Die Große Koalition brachte 2015 schließlich das TEG auf den Weg. Es sollte eigentlich Tarifkollisionen vermeiden, verschärfte aber die Konkurrenz zwischen den Gewerkschaften in einem Unternehmen.

Was besagt das TEG?

Im Kern besagt es, dass bei Existenz mehrerer Gewerkschaften nur der von der Mehrheitsgewerkschaft geschlossene Tarifvertrag gelten soll. Das Gesetz sollte die Tarifeinheit wieder herstellen und die Position der Berufsgewerkschaften schwächen.

Und wie ging es mit dem TEG bei der Bahn weiter?

Bei der Bahn verständigten sich die Tarifparteien im Frühjahr 2015 in einem Grundsatztarifvertrag auf die Nicht-Anwendung des TEG, wodurch eine relativ konfliktarme Phase eingeleitet wurde.  Dieser Vertrag sicherte die Unabhängigkeit des Lokführertarifvertrages der GDL. Er lief allerdings ohne Nachwirkung Ende 2020 aus. Eine Einigung über das weitere Vorgehen kam nicht zustande. Seitdem wendet das Bahn-Management das TEG im tarifpolitisch aufgesplitterten Konzern trotz des Widerstandes der GDL als geltendes Recht strikt an.

Wie viele Bereiche gibt es denn, in denen der Tarifvertrag der GDL Anwendung findet?

Derzeit gelten von der GDL geschlossene Tarifverträge nur in weniger als 20 der insgesamt etwa 300 Betriebseinheiten des Konzerns. In einigen Betrieben sind die Mehrheitsverhältnisse strittig. Die GDL bestreitet, dass die Angaben der Bahn zutreffen und reklamiert in mehr Betrieben die Mehrheit für sich. Sie leitete juristische Schritte ein, indem sie eine Reihe einstweiliger Verfügungen zu erwirken versuchte, um ihre eigenen Tarifverträge anzuwenden. Allerdings scheiterte sie bislang mit ihren Klagen gegen das TEG sowohl in Eil- als auch in Hauptsacheverfahren. Einige Verfahren befinden sich bei den Landesarbeitsgerichten.

Was bedeutet diese ganze Entwicklung für das Verhältnis von GDL und EVG? Sie sprachen eingangs von einem gewachsenen Konkurrenzverhältnis?

Diese Situation führt in den Tat zu einer Verschärfung des zwischenorganisatorischen Konfliktes zwischen GDL und EVG, da die Minderheitengewerkschaft versucht, oder in strategischer Perspektive ein Anreiz besteht, ihren Status durch Steigerung der Mitgliederzahlen zu verbessern, mit dem Ziel, zur Mehrheitsgewerkschaft zu mutieren. Die Rekrutierung bislang nicht organisierter Beschäftigter gestaltet sich in Anbetracht des hohen Organisationsgrades der Branche als schwierig, so dass Versuche der Abwerbung von Mitgliedern der Konkurrenzgewerkschaft an Bedeutung gewinnen.

Gibt es denn dieses verschärfte Konkurrenzverhältnis auch in den Dienstleistungsbereichen?

In dieser Form gibt es die Konkurrenz zwischen den Gewerkschaften im Luftverkehr oder in den Krankenhäusern so nicht. Die hier vertretenen Gewerkschaften, VC und ver.di im Luftverkehr oder Marburger Bund und ver.di im Pflegebereich, halten sich weitestgehend an die vereinbarten Organisationsgrenzen. Die zwischenorganisatorischen Konflikte bei der Bahn hängen mit den wiederholten Versuchen der GDL zusammen, ihre bestehende Repräsentations- bzw. Organisationsdomäne auszuweiten, um von der Berufs- zur Branchengewerkschaft zu werden.

Wenn ich es richtig verstehe, dann heißt das, dass es auch im aktuellen Tarifkonflikt um die Ausweitung des Organisationsbereiches der GDL geht, der sich in der Konsequenz gegen die EVG richtet?

Richtig. Die aktuellen Tarifbeziehungen der DB sind als umkämpftes Terrain durch zwei Konfliktlager geprägt, die formal und rechtlich unabhängig voneinander sind, inhaltlich und organisatorisch jedoch eng zusammenhängen: Einerseits besteht der Konflikt in den Tarifverhandlungen, bei dem es sich um quantitative Tarifpolitik handelt, also Entgelterhöhungen, Corona-Prämien, Betriebsrenten etc. Andererseits handelt es sich nach wie vor um den Grundsatzkonflikt von Tarifeinheit und Tarifpluralität bzw. um den Statuskonflikt der GDL. Die Besonderheit der aktuellen Situation besteht darin, dass im Mittelpunkt nicht mehr, wie in den frühen und mittleren 2000er Jahren, die faktische Anerkennung als autonome Tarifvertragspartei steht, sondern die Ausdehnung ihrer Repräsentations- bzw. Organisationsdomäne.

Konsequent zu Ende gedacht, hört sich das sehr dramatisch an, weil wir nicht nur zwei Gewerkschaften haben, die nicht miteinander arbeiten, um die Interessen der Beschäftigten durchzusetzen. Sondern wir haben zwei Gewerkschaften, die explizit gegeneinander arbeiten, was dazu führt, dass das Hauptaugenmerk nicht in erster Linie auf den Konflikt zwischen Kapital und Arbeit gelegt wird, sondern auf die Konkurrenzgewerkschaft.

So ist es.

Eine zentrale Forderung in der aktuellen Tarifrunde ist die nach der 35-Stunden-Woche für Schichtarbeiter bei vollem Lohnausgleich. Die Forderung nach einer 35-Stunden-Woche ist eine stolze Forderung in der Geschichte der DGB-Gewerkschaften, für die 1984 mehr als sechs Wochen gestreikt wurde. „Mehr Zeit zum Leben, Lieben, Lachen und Lernen“ hatten vor allem IG Metall-Frauen damals gefordert. Wir alle erinnern uns an die lachende Sonne auf rotem Hintergrund. Der Kampf um die 35-Stunden-Woche war ein beeindruckender Tarifkampf, der seine Stärke aus einer breiten gesellschaftlichen Mobilisierung zog und am Ende mehr als nur eine Gewerkschaftsgeneration geprägt hat. Es fällt auf, dass dieser gesellschaftliche Rückenwind bei der an sich richtigen Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bei der GDL gänzlich fehlt.

In der Tat besteht eine Besonderheit der aktuellen Tarifrunde darin, dass das GDL-Forderungspaket auch eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 35 Stunden für Schichtarbeiter, wie Lokführer und Zugbegleiter, ohne anteilige Entgeltabsenkung enthält. Seit dem 2018 geltenden, flexiblen Arbeitszeitmodell mit individuellen Optionen sind Arbeitszeitverkürzungen stets mit proportionalen Entgeltreduzierungen verbunden. Die Bahn bietet an, dieses Wahlmodell zu erweitern, besteht aber auf proportionalen Entgeltkürzungen, was die GDL ablehnt. Die an sich progressive Forderung nach Arbeitszeitverkürzung soll allerdings nicht für alle, sondern nur für einen Teil der Belegschaft durchgesetzt werden, denjenigen Teil, der zur GDL gehört. Die gesellschaftliche Mobilisierung, die 1984 typisch war für den Kampf um die 35-Stunden-Woche in der Metall- und Elektro-, aber auch in der Druckindustrie, braucht die GDL nicht, weil Berufsgewerkschaften, wie eingangs schon beschrieben, eine sehr hohe Durchsetzungsstärke haben. Dadurch entsteht aber eine Art exklusive Solidarität, die nicht die gesamte Belegschaft miteinschließt.

Welche Perspektive ergibt sich nun aus dem Konflikt?

Für die Praxis der Arbeitsbeziehungen ist nicht entscheidend, wie viele Gewerkschaften es in einem Unternehmen gibt. Erfahrungen aus angelsächsischen Ländern, vor allem England, belegen, dass die Ausgestaltung ihrer Beziehungen, also die Frage, wie die Gewerkschaften miteinander umgehen, viel entscheidender ist. Denkbar, wenngleich derzeit unrealistisch, wäre beispielsweise, dass sich EVG und GDL zu einer Tarifgemeinschaft zusammenschließen. Dies wird seit über einem Jahrzehnt im öffentlichen Dienst zwischen DGB- und DBB-Gewerkschaften praktiziert und war bis in die frühen 2000er Jahre auch bei der Bahn möglich. Mit einer solchen Tarifgemeinschaft ist eine Konkurrenzsituation zwischen zwei Gewerkschaften vergleichsweise unproblematisch. Ich denke aber auch, dass die GDL den Status quo anerkennen und auf Versuche verzichten sollte, ihre Organisationsdomäne weiter auszudehnen. Die angestrebte Ausdehnung von der Berufs- zur Branchengewerkschaft intensiviert den bestehenden zwischenorganisatorischen Konflikt und erschwert seine Lösung.

Und welche Perspektiven sehen Sie im aktuellen Tarifkonflikt?

Aus meiner Sicht könnte der Abschluss des Tarifvertrages zwischen der EVG und der Bahn vom Frühjahr 2023 als Orientierungsgröße dienen. Ein niedrigerer Abschluss seitens der GDL ist höchst unwahrscheinlich, da Abwanderungen von Mitgliedern zu befürchten wären. Vergleichsweise leicht dürfte in diesem Rahmen ein Kompromiss über die Laufzeit des Tarifvertrages zu erzielen sein.

Was hat es mit der Leiharbeitsagentur Fair Train auf sich, die die GDL gegründet hat?

Eine aktuelle, in der Öffentlichkeit noch weitgehend unbeachtete und in der gesamten Gewerkschaftsgeschichte einzigartige Aktivität der GDL ist in der Tat die Bildung einer eigenen Agentur zur Arbeitnehmerüberlassung. Nachdem die Bundesagentur für Arbeit die Erlaubnis erteilt hatte, gründete die GDL im Herbst 2023 als Personaldienstleister die Fair Train e.G. in der Rechtsform einer Genossenschaft. Die beiden Verbände – GDL und Fair Train – besetzen ihre Führungsgremien ähnlich, sind aber in formaler Hinsicht voneinander unabhängig. Sie schlossen einen Tarifvertrag, unter anderem zu Entgelten „auf marktüblichem Niveau“ bzw. zu „fairen Bedingungen“, was auch immer das konkret heißt. Und sie beabsichtigen, mittelfristig Tarifverträge mit der Deutschen Bahn sowie privaten Bahnverkehrsunternehmen zu schließen, um die bei ihnen Beschäftigten bundesweit zu eigenen Tarifbedingungen an Bahnunternehmen zu verleihen.

Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch die Gründung einer Leiharbeitsfirma klingt nicht besonders vertrauenserweckend…

Derzeit sind die mittel- und langfristigen Auswirkungen dieses in der Tat ungewöhnlichen Vorhabens noch unklar. Klar ist nur, dass diese Entwicklung ein hohes Konfliktpotential hat. Wie viele Lokführer werden tatsächlich bereit sein, ihre bestehenden sicheren Beschäftigungsverhältnisse aufzugeben, um – bei durchaus ungewissen Perspektiven – zur neuen Genossenschaft zu wechseln, wobei sie GDL-Mitglieder sein müssen, um Genossenschaftsanteile in Höhe von 500 Euro zu erwerben? Wie würden sich die Arbeitsbedingungen entwickeln? Wären die abzuschließenden Tarifverträge, wie Fair Train annimmt, aus Sicht der Beschäftigten tatsächlich günstiger als vorher? Wie zahlreiche Untersuchungen zeigen, ist beim Einsatz des Flexibilisierungsinstruments Leiharbeit das Gegenteil der Fall; die Bedingungen sind schlechter als die der Stammbelegschaft. Das Ganze klingt nach einem Instrument der Mitgliederwerbung und könnte für die GDL auch ins Auge gehen.

Vereinzelt fordern Politiker, das Streikrecht zu ändern und die Durchsetzungsmacht der Gewerkschaften in der sogenannten kritischen Infrastruktur einzuschränken? Wie sehen Sie das?

Ein Streik ist, vor allem im Bereich der Daseinsvorsorge, auch eine Auseinandersetzung um die öffentliche, vor allem um die veröffentlichte Meinung, auf die beide Seiten durch umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit zwecks Vermittlung ihrer Narrative Einfluss zu nehmen versuchen. Sie sind auf die Unterstützung der Öffentlichkeit angewiesen und müssen auf deren Betroffenheit Rücksicht nehmen. Für die Gewerkschaft bedeutet diese Situation eine Gratwanderung zwischen Begrenzung und Eskalation des Konflikts. Sie kann bei dessen Planung bestimmte Zeiträume ausnehmen, um die Auswirkungen für Kunden in Grenzen zu halten. Sowohl die EVG als auch die GDL haben dies getan, wenn wir beispielsweise an die Einhaltung des „Weihnachtsfriedens“ denken. Deutschland ist im Vergleich zu anderen Ländern ein streikarmes Land. Streiks, selbst im Bereich der Daseinsvorsorge, sind keine Zumutung, sondern das Recht der Beschäftigten und ein Instrument, um ihre Interessen durchzusetzen. Eine Debatte zur Einschränkung des Streikrechts halte ich für überflüssig.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Prof. em. Dr. Berndt Keller war Professor für Arbeits- und Sozialpolitik an der Universität Konstanz. Spannender Buchtipp für Interessierte und zum Weiterlesen: Berndt Keller: Berufs- und Spartengewerkschaften. Neue Akteure und Perspektiven der Tarifpolitik, Augsburg-München, Rainer Hamm Verlag, 2017.

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