Von Ulrike Eifler
Die bundesweiten Proteste gegen rechts in diesen Tagen machen Mut, meint unsere Bundessprecherin Ulrike Eifler. Aber in einer Zeit, in der Regierungsparteien über die Einschränkung des Streikrechtes diskutieren und die gesetzliche Rente an die Kapitalmärkte tragen, müssen die Gewerkschaften den Kampf gegen die AfD sehr viel stärker mit dem Kampf für eine soziale Politik verbinden. Nicht zufällig feiere die Partei ihre Erfolge ausgerechnet dort, wo die Arbeitswelt durch geringe gewerkschaftliche Organisationsgrade, eine niedrige Betriebsratsdichte und eine schwach ausgeprägte Mitbestimmungskultur gekennzeichnet ist.
Im Herbst sind in Brandenburg, Sachsen und Thüringen Landtagswahlen. Umfragen zeigen: die Wahlen könnten die Bundesrepublik verändern, denn seit Monaten befindet sich die AfD in einem Umfragehoch. In allen drei Ländern ist sie stärkste Kraft. SPD, Grüne und FDP liegen teils unter fünf Prozent und könnten den neuen Landtagen nicht mehr angehören. Natürlich: Das sind Momentaufnahmen. Am Ende entscheiden Wahlen. Doch die jüngsten kommunalpolitische Erfolge deuten an: Der AfD gelingt es, ihren Aufschwung über eine strukturelle Verankerung in der Fläche abzusichern.
Nach den Meldungen über Rechtsterrorismus und nationalrevolutionäre Aufbruchsphantasien gibt eine erstarkende AfD in den Parlamenten Anlass zur Sorge. Und es ist schwer vorstellbar, dass jemand wie Björn Höcke Ministerpräsident werden könnte. Höcke träumt vom politischen Umsturz, spricht von „wohltemperierter Grausamkeit“ gegenüber Andersdenkenden und bezeichnet die AfD als das letzte friedliche Angebot.
Aber besonders für Lohnabhängige könnte es ungemütlich werden, wenn die AfD in die Regierung kommt. Denn die Partei hält nicht viel von Maßnahmen, die den Arbeitsmarkt regulieren und in Ordnung halten. Tarifverträge und Mitbestimmung werden abgelehnt. Die gesetzliche Rente will sie privatisieren. Und bei Abstimmungen zur Erhöhung des Mindestlohns stimmte die AfD immer dagegen. Und wenn Höcke eine „Wende in der Erinnerungskultur“ fordert oder Alexander Gauland den Nationalsozialismus als „Vogelschiss in der Geschichte“ bezeichnet, zeigt das: Die Partei knüpft ideologisch an ein Kapitel deutscher Geschichte an, in dem die Gewerkschaften zerschlagen und Arbeitsrechte außer Kraft gesetzt wurden.
Nicht grundlos also fragen vor allem die Gewerkschaften, wie der Vormarsch der AfD gestoppt werden kann. Eine Antwort ist die Stärkung der antirassistischen Bildungsarbeit. Eine andere die wegweisende neue Studie der Otto-Brenner-Stiftung. Sie zeigt: Rechtsextreme Einstellungen nehmen signifikant ab, wenn Menschen am Arbeitsplatz mitbestimmen können. Damit wird die Stärkung der betrieblichen Mitbestimmung zu einem zentralen Hebelpunkt im Kampf gegen die AfD. Nicht zufällig feiere die Partei ihre Erfolge ausgerechnet dort, wo die Arbeitswelt durch geringe gewerkschaftliche Organisationsgrade, eine niedrige Betriebsratsdichte und eine schwach ausgeprägte Mitbestimmungskultur gekennzeichnet ist.
Auch wenn es Teilen der Bundesregierung nicht gefallen dürfte: Die Grundlage für eine stabile Demokratie ist eine funktionierende Demokratie im Betrieb. Wer die AfD wirksam bekämpfen möchte, muss betriebliche Mitbestimmung stärken. Die bundesweiten Proteste gegen rechts in diesen Tagen machen Mut. Aber in einer Zeit, in der Regierungsparteien über die Einschränkung des Streikrechtes diskutieren und die gesetzliche Rente an die Kapitalmärkte tragen, müssen die Gewerkschaften den Kampf gegen die AfD sehr viel stärker mit dem Kampf für eine soziale Politik verbinden.
Ulrike Eifler ist Bundessprecherin der BAG Betrieb & Gewerkschaft
Dieser Beitrag stammt der diesjährigen Mai-Ausgabe unserer Zeitung, die ihr hier findet: E-Paper: Heraus zum 1. Mai – gegen Krise und Krieg (Mai 2024)
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